3. Teil
21 Dec 2019Hanni_Hassildor
1. System: Cubeo, Raumstation: Medupe City, 20.01.3305 17:30 Uhr,
Büro von Earl Sanches - Machtkontakt
»Nun Baron, ich will ganz ehrlich sein.«
So ging es schon los. Hätte der Earl ihm tatsächlich Respekt entgegengebracht, wäre das mindeste Herr Baron gewesen. Allerdings hatte Hannibal damit auch nicht ernsthaft gerechnet. Das ganze Geschwätz, dass im Imperium selbst ein Sklave zum König aufsteigen könnte, war genau so ein Schwachsinn, wie sein föderales Gegenstück, vom Tellerwäscher zum Millionär. Er wusste selbst nur zu gut, dass sein frisch erworbener Adelstitel nicht einmal einen imperialen Schuhputzsklaven beeindrucken würde. Hier zählte einzig und allein das Geburtsrecht. In der Pilotenvereinigung hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass dieses Gesetz nur verabschiedet worden war um den Aktienkurs der Gutamaya Corporation auf die Sprünge zu helfen. Es gab nicht genug reiche Adelige, um ständig neue Luxusschiffe zu verkaufen. Aber es gab ein altes Gesetz, dass es der Firma verbot ihre Schiffe an Kunden ohne imperialen Adelstitel zu veräußern. Und da es kompliziert war, alte Gesetze zu ändern, erfand man halt neuen Adel.
Das wäre Hannibal auch völlig egal gewesen. Solange die Credits echt waren, konnten sie so viele falsche Adelstitel verleihen, wie sie wollten. Wenn er dazu noch Gutamayas Schiffe kaufen konnte, um so besser. Doch das dieser fette Kotzbrocken ihm im gleichen Satz auch noch anlog, hätte ihn innerlich aufstöhnen lassen. Machtkontakt stand an der Tür des Büros. Dies war eine nette Umschreibung für Propaganda und Zersetzung durch den Geheimdienst. Ganz ehrlich zu sein, gehörte garantiert nicht zu diesem Berufsbild.
»Es gibt gewisse Zweifel an Eurer Loyalität dem Imperium gegenüber.« Fuhr er spitz fort.
»Darf ich fragen, wie Ihr darauf kommt, hochverehrter Earl? Immerhin habe ich letzten Monat erhebliche Mengen Eurer sehr speziellen Fracht geflogen sowie viele normale Missionen für das Imperium.«
»Wie Ihr unzweifelhaft wisst, lieferte sich unsere Flotte vor kurzem schwere Gefechte mit Verrätern des sogenannten »Nova Imperium«. Mir jedoch wurde berichtet, dass Ihr stattdessen in einem System Namens Lotia für die Allianz gekämpft habt. Ihr könnt also unmöglich weiterhin behaupten, Ihr wärt nur ein einfacher Händler und kein Kampfpilot. Außerdem spenden unsere Händler üblicherweise zum Ruhme Ihrer Hoheit der Prinzessin zehn Prozent ihres Gewinns an dieses Büro.«
Das war es also, dachte Hannibal, während der Earl immer weiter laberte. Der ist sauer, weil er sein Schmiergeld nicht kassiert hat.
»Ihr versteht sicher, dass es viel Geld kostet, Ihrer Hoheit Ruhm zu mehren ...«
Hannibal hob die Hand, um den Redeschwall zu unterbrechen. »Aber mein lieber Earl, selbstverständlich spende ich gerne meinen Teil zum Ruhm ihrer Hoheit. Ich wusste nur leider nicht, an wen ich mich wenden sollte.«
Hannis Worte waren so falsch wie sein gewinnendes Lächeln, und das wussten sie natürlich beide. Diese Art von Schmiergelderpressung war im Imperium nicht ungewöhnlich. Einer der Gründe, warum anständige Bürger plötzlich dem bis dahin unbekannten Bastart, eines längst verstorbenen Imperators hinterherliefen, war die Tatsache, dass große Teile des Imperiums die Korruption nicht in den Griff bekam. Zehn Prozent seines Gewinns im Gebiet des Imperiums letzten Monats war immerhin eine siebenstellige Summe. Auch wenn er an seinen Schiffscomputer musste, um es genau zu bestimmen. Andererseits tat es nicht weh, denn diese Summe wäre ungefähr Mel´s Anteil gewesen, wenn sie noch gelebt hätte. Wenn damit der Ärger hier zu vermeiden war, wenigstens bis er dazu berechtigt war imperiale Prismenschilde zu erwerben, dann war ihm es die Sache wert.
»Das freut mich zu hören Baron. Ich war so frei, schon eine kleine Aufstellung zu machen und die entsprechenden Kontonummern in das Formular einzutragen.«
Hannibals Tablet piepste, als er im gleichen Moment die Mail des Earls empfing. Trotzdem musste er kurz schlucken, als er sie öffnete. Siebzig Millionen? Beim Prozentrechnen hast du in der Schule wohl gefehlt, du verdammter Halsabschneider. Dachte er sich, sagte aber nichts. Das war mehr als das Doppelte von dem, was er im Kopf überschlagen hatte.
»Nun mein lieber Earl, wenn unsere Missverständnisse damit aus der Welt geschafft sind, überweise ich gleich, falls Euch das recht ist.« Presste er um Fassung bemüht hervor.
Das höhnische Grinsen des beleibten Adligen deute schon an, dass dieser den Bogen überspannen würde. »Da wäre dann nur noch eine Kleinigkeit.« Er legte den Finger auf den Knopf seiner im Schreibtisch eingebauten Sprechanlage. »Henna, schicken sie doch bitte den Junker Müller hinein.«
Hannibal nahm zum deutlich sichtbaren Missfallen des Earls den Finger vom virtuellen Überweisen Button seines Bildschirms, und blickte entnervt zur Tür.
Herein kam ein blonder Mittzwanziger mit militärischem Kurzhaarschnitt und harten grünen Augen. »Darf ich vorstellen«, ergriff der Earl das Wort, »Junker Thomas Müller, ihr neuer Copilot.«
Hanni entgleisten die Gesichtszüge. »Mein Neuer - Was?«
Sanches versuchte erst gar nicht, sein Vergnügen über Hassildors Fassungslosigkeit zu verbergen.
»Copilot! Die Stelle wurde doch gerade frei, oder? Wie ich schon sagte, gibt es in Geheimdienstkreisen gewisse Zweifel an Euch.« Jetzt spuckte er die Worte fast aus. »Ihr arbeitet für eine Fraktion der Allianz, und bekommt doch nach wenigen Wochen einen imperialen Titel verliehen, für den andere Piloten Jahre gebraucht haben. Ihr behauptet, ihr seid Händler, und dennoch fliegt ihr Kampfeinsätze für eine feindliche Macht. Und was das Auffälligste ist,« brüllte der Earl nun. »Wenn man lächerliche fünf Jahre zurückblickt, dann gab es noch gar keinen Kommandant Hannibal Hassildor! Weder bei uns, noch in der Föderation, Allianz, oder sonst irgendwo. Und das stinkt für mich geradezu nach Spionage! Noch kann ich nichts beweisen, aber ohne Junker Müller fliegt Ihr nirgends mehr hin, Commander. Und der wird schon herausfinden, ob ich recht habe, verlasst euch darauf!«
»Meine Copiloten suche ich mir immer noch selbst aus, Sanches! Und was diese andere Sache betrifft,« Hannibal hielt sein Tablet hoch, »die könnt Ihr vergessen!«
»Nehmt Euch die Zeit, in aller Ruhe darüber nachzudenken, Kommandant. Eure drei Schiffe auf dieser Station sind so lange beschlagnahmt, bis ihr zur Einsicht kommt. Die Werft wurde angewiesen, Euch kein Neues zu verkaufen. Und die Reisebüros werden Euch jegliche Beförderung verweigern. Also kommt zur Vernunft, Commander.«
»Ich bin also verhaftet?«
»Nicht doch, Hassildor. Ihr dürft Euch frei auf dieser Station bewegen, während die Untersuchungen gegen Euch laufen.«
»Ein Mitglied der Pilotenvereinigung darf nach den intergalaktischen Verträgen nicht gegen seinen Willen festgehalten werden, es sei denn es liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor! Also nochmals: Bin ich verhaftet?«
»Nein Baron, wie ich schon sagte.«
»Dann gebt meine Schiffe frei!«
»Sobald Ihr Müllers Arbeitsvertrag unterzeichnet habt, und die Kleinigkeit, die wir davor besprachen, erledigt ist. Bei Euren Schiffen müsst Ihr wissen, besteht der Verdacht, dass sie für eine Straftat gegen das Imperium benutzt wurden. Sie sind daher festgesetzt, bis unsere Computerforensiker ihre Datenspeicher ausgewertet haben. Und Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie viel die zu tun haben, seit das Nova Imperium aufgetaucht ist. Sowas kann dauern, das werden auch die überbezahlten Anwälte der Pilotenvereinigung nicht beschleunigen können. Was Euch tatsächlich nach den intergalaktischen Verträgen zusteht, ist die Möglichkeit eine Sidewinder zu erwerben. Mitglieder der Pilotenvereinigung haben dieses seltsame Sonderrecht, deshalb werden Sidewinder kurioserweise selbst auf Gefängnisschiffen verkauft. Aber ernsthaft Hassildor, wollt ihr wirklich eine Orca, eine Anaconda und eine T9, gegen eine Sidewinder tauschen? Und das nur, damit Ihr Junker Müller nicht mitnehmen müsst?
»Lieber flieg ich mit dem Ding nach Sagittarius A, als mich von Euch hier erpressen zu lassen!« Brüllte Hanni und verließ wutschnaubend das Büro.
»Müller,« sagte der Earl leise, »wir haben eine bewaffnete Imperial Courier im Hanger liegen. Falls dieser alte Wichser ernst macht, wissen sie, was sie zu tun haben. Ich habe meine Verbindungen spielen lassen, Hassildor bekommt eine Sidewinder mit unserer Spezialsoftware, es sollte also kein Problem sein ihn zu finden. Aber mein lieber Junker, jetzt schaut doch nicht so finster. Wie jedem anderen Freelancer, geht es dem alten Sack doch nur ums Geld. Wenn er sich beruhigt hat, nimmt er unser Angebot schon noch an, keine Sorge.«
2.
Was denkt sich dieses fette Schwein eigentlich? Fragte sich Hanni, wahrend er durch die Gänge der Raumstation stampfte. Die Hand aufhalten, ist eine Sache, aber das ...
Junker Thomas Müller, dass ich nicht lache. Warum nicht gleich Herzog John Doe?
Für wie doof hält der mich eigentlich? Dir werde ich jetzt mal, was zum Nachdenken besorgen, Earl Drecksack. Wollen doch mal sehen was passiert, wenn die Presse von deinen sauberen Methoden berichtet. Aber dazu brauche ich erstmal deren volle Aufmerksamkeit. Verdammt, das wird ein sehr teurer Abend.
Er bog um ein paar Ecken, bis er vor einem Automaten der First Imperial Bank stand. Dort zog er einen Creditstab und steckte ihn in den dafür vorgesehenen Schlitz, um einen Betrag von seinem Konto auf den Stab zu laden. Im vierten Jahrtausend ersetzen diese Dinger das längst ausgediente Bargeld. Creditstäbe speicherten einfach nur den Betrag, der darauf gebucht wurde. Kein Datum, keine Bankleitzahl, keine Kontonummer, keinen Namen, Nichts. Nur den Betrag. Alles was man dann noch tun musste, war, die Fingerabdrücke von dem Ding zu wischen, und schon war das Geld nicht mehr zurückverfolgbar. Alle Staaten, die Jahrzehnte lang auf die Abschaffung des Bargeldes hingearbeitet hatten, hauptsächlich um ihre Bürger zu überwachen, hatten schnell erkannt, dass ihre eigenen dunklen Geschäfte jetzt ebenfalls in Gefahr waren jederzeit aufgedeckt zu werden, solange man deren Geldfluss zurückverfolgen konnte. Sie hatten sich schnell geeinigt wieder einen Bargeldersatz, den man diesmal aber problemlos über Konten verbuchen konnte, zu erschaffen. Somit konnte man wieder gefahrlos andere Politiker bestechen, Auftagsmörder bezahlen und lustige Rebellionen auf fremden Planeten anzetteln, ohne die eigene Wiederwahl zu gefährden oder gar mit Freiheitsentzug rechen zu müssen.
Endlich konnte auch die Unterwelt wieder ihren speziellen Geschäften nachgehen, was eine Menge neuer Wahlkampfspenden brachte. Selbst der ganz normale Bürger, konnte sich wieder einbilden, nicht ständig kontrolliert zu werden, wenn er einen Creditstab benutzte, was natürlich Unfug war, aber wenigstens bekam die eigene Ehefrau nicht mehr mit, was »Mann« mit dem Geld so anstellte, für die allgegenwärtigen Geheimdienste, galt natürlich etwas anderes.
Hannibal lud fünf Millionen auf den Stab, dies war selbst für hartgesottene Mafiosi eine ungewöhnlich hohe Summe. Durch das Nichtvorhandensein jeglicher Bezugsdaten war das Geld immer dem, der den Stab gerade hatte. Bekanntlich wurden auch schon Menschen für fünf Credits umgebracht. Doch Hanni musste sicherstellen, dass die Summe ausreichend war, um jemanden zu bestechen, der als unbestechlich galt. Sein Leben hing davon ab. Er zog vorsichtshalber noch zwei weitere Stäbe, auf die er je eine Million für Notfälle packte und machte ich auf den Weg zu einem ganz bestimmten Reisebüro.3.
»Es tut mir leid, Hanni. Ich darf dir keinen Auftrag geben und auch kein Ticket verkaufen, Befehl von ganz oben.«
Balkrishna Kusmashi war es sichtlich unangenehm, Hannibal abzuweisen. Hanni hatte etliche Aufträge für den Reisemanager geflogen. Stinkreiche Kunden, die ein Schweinegeld dafür bezahlten, so viel Sehenwürdigkeiten wie nur möglich auf einem einzigen Trip vor die Kamera zu bekommen, weil sie für einen richtigen Urlaub sowieso keine Zeit hatten, aber in Ihren exklusiven Clubs schließlich mitreden mussten. Hannibal hatte sich für diesen Kundenkreis extra eine Orca mit nur sechs Luxuskabinen ausstatten lassen. Dafür sprang die Kiste über fünfzig Lichtjahre und war so schnell wie eine aufgebohrte Viper. Wenn man erst mal einen guten Ruf in einem reichen System wie Cubeo hatte, brachten diese Aufträge richtiges Geld ein. Doch natürlich lag seine Orca ebenfalls an Sanches unsichtbarer Leine, weswegen er nur den Kopf schüttelte. »Deswegen komme ich gar nicht, keine Sorge Balk. Glaubst du ernsthaft, ich lasse eine Orca, eine Anaconda und eine T9 hier liegen und verpiss mich? Dann bin ich bankrott Alter. Seit dieser selbsternannte Imperator Modanticus und dieser Bastartsohn Hadrian die Medien aufhetzt, sehen eure Schlapphutträger überall Verschwörungen. Ich habe mit diesen Nova-Affen nix zu tun, und das kann ich beweisen. Nein Balk, ein Freund von mir hat heute Geburtstag. Der alte Knabe kann einen kleinen Urlaub dringend gebrauchen. Und du weißt ja selbst, wie es ist. Was schenkt man einem, der schon alles hat? Also Balk, ich brauche ein Ticket für ´ne schöne Urlaubsreise. Weit weg in ein gutes Urlaubsgebiet. So ein- zwei Wochen. Am besten mit Führungen in alter Geschichte, da steht er voll drauf.«
Balkrishna deutete gewohnheitsgemäß mit dem Daumen auf das Holoplakat von Imperial City, hinter ihm an der Wand, doch Hanni schüttelte den Kopf. »Ne, du. Da war er schon. Hast du nichts aus der frühen Siedlungszeit, Lave oder sowas, mit viel Geschichte drumherum?«
»Lave? Das ist Allianzgebiet. Da brauche ich erst seine Papiere, vorher kann ich kein Ticket ausstellen.«
Balkrishnas strenger Blick fügte ein Stummes: »Das solltest du als Orcapilot doch wissen.« Hinzu.
Hannibal rollte mit den Augen und atmete tief durch. »Balk ich bitte dich. Wie zum Teufel soll ich denn jemanden zum Geburtstag überraschen, wenn ich ihm vorher sagen muss: Geh zum Reisebüro und zeige dem alten Kusmanshi deinen Ausweis.« Hannibal hob übertrieben ratlos die Hände und blickte den Reiseagenten mürrisch an.
»Hmm« Kusmanshi rieb sich das Kinn. »Na vor mir aus. Aber ich muss seinen Ausweis sehen, bevor er an Board geht, sonst schalte ich das Ticket nicht frei.«
»Natürlich Balk, das weiß ich doch. Danke. Und jetzt lass uns mal schauen, ob wir ein hübsches Hotel für ihn finden ...«
Eine halbe Stunde später, war er weitere drei Millionen los, diesmal ganz offiziell von seinem Konto abgebucht. Kusmanshi sollte schließlich nicht in letzter Minute doch noch Verdacht schöpfen. Dafür hatte er ein Ticket für den Flug mit einer Beluga auf den Namen Karl Anderson, dessen Mikrochip auf seine Freischaltung nach Vorlage der entsprechenden ID-Karte wartete. Dies war etwas, das man im Passagierbereich an einem Automaten erledigen konnte. Und dieser Automat würde nichts darüber wissen, dass der angebliche Geburtstag des Kunden, nicht mit dem Datum auf seinem Ausweis übereinstimmte. Kusmashi ist zum Glück nicht der Hellste, jetzt muss ich das nur noch Karl erklären.
4.
Als Nächstes suchte Hanni nach einem öffentlichen Kommunikator und fragte die Maschine nach dem Büro der Pilotenvereinigung, als ihr Holoschirm erwachte. Er wurde verbunden und erklärte dem Sekretärsroboter am andern Ende der Leitung, wer er war und warum er ganz dringend einen Termin brauchte. Anscheinend konnte er den Algorithmus des Blechkopfs überzeugen, denn eine halbe Stunde später wurde er von einem Dr. jur. H. Franklin, Fachanwalt der Pilotenvereinigung am Standort Cubeo in dessen kleinen, aber sehr edlen Büro empfangen. Franklin war ein Farbiger, Mitte-Ende fünfzig mit Vollglatze und Jahrzehnte lang trainiertem Pokerface. Nur seine Augen glitzerten in gefährlich unruhiger Intelligenz. Für Franklins Maßanzug bekam man anderswo eine GU-92, und der Mann machte nicht den Eindruck, als könne ihn irgendwer unterhalb des Rangs Imperator aus der Ruhe bringen.
Du kannst deinen Boss, deine Frau und deine Kinder belügen, aber belüge niemals deinen Arzt oder Anwalt. Mit dieser alten Weisheit im Kopf erzählte Hannibal Franklin freimütig die ganze Geschichte, bis auf die Kleinigkeit, dass der Geheimdienst keine Unterlagen, die älter als fünf Jahre waren, über ihn gefunden hatte. Was ihn gewaltig ärgerte, weil irgendein Trottel da eine riesen Scheiße gebaut hatte. Doch darum musste er sich später kümmern.
»Hmm, das mit dem aufgezwungenen Copiloten ist neu, ansonsten kenne ich diese Masche des sauberen Earls. Leider hatten wir nie genug Beweise, um vor einem imperialen Gericht zu bestehen. Bei der Allianz würde er schon einsitzen. Haben Sie irgend eine Ahnung, warum er Ihnen diesen Müller aufs Auge drücken will? Denkt er, Sie haben wirklich was mit Nova zu tun?«
»Ich schwöre Ihnen, ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Paresa oder auch nur in der Nähe. Und ich kenne kein einziges Mitglied dieses Nova-Imperiums. Aber selbst wenn es so wäre, und ich tatsächlich Aufträge für die geflogen hätte, wäre das doch durch das Gesetz zur prinzipiellen Neutralität der Pilotenvereinigung gedeckt, oder etwa nicht?«
Der Anwalt schaute ihn eine Zeitlang stumm an. »Doch wäre es.« Sagte er dann.
»Solange es kein persönliches Verbrechen ist, gilt dieses Recht für jede Fraktion, selbst für Nova, auch wenn das dem Imperium sicher nicht gefällt.«
Die prinzipielle Neutralität der Pilotenvereinigung war eines der perversesten Gesetze in der Geschichte der Menschheit. Die erste Direktive der Pilotenvereinigung lautete:
Die Pilotenvereinigung ist zu jeder Zeit neutral.
Diese absolute Neutralität diente als ideologische Rechtfertigung, welche es ihren Piloten erlaubte, für wirklich jeden Auftraggeber zu arbeiten, solange dieser bereit war die Neutralität der Vereinigung anzuerkennen. Vergeltung an einen völlig Neutralen Mitglied der menschlichen Gemeinschaft zu üben, war somit schon von der Definition her gar nicht möglich, und in jeder Kultur ein abscheuliches Verbrechen. Deshalb nahm man Rache an den Auftraggebern, wenn es denn sein musste, aber nie an den Piloten der Vereinigung. Denn die hatten ja nur ihren Job getan. Das Ganze war dermaßen absurd, dass sich tagtäglich irgendwo in der Bubble Piloten der Vereinigung gegenseitig abschlachteten, und das nur, weil sie bei verschiedenen Fraktionen angeheuert hatten. Die Pilotenvereinigung erklärte die Gefallenen zum größten, im Namen der absoluten Neutralität erbrachten Opfer. Und zum besten Beweis, dass sie es ernst meinten mit der Neutralität, so verdammt ernst, dass ihre Piloten dafür starben. Außerdem verschenkten sie jedes Jahr tausende neue Sidewinder an vielversprechende Flugschüler, um die humanen Verluste wieder auszugleichen. Nur wussten das sie freudig überraschten Flugschüler meist nicht.
Da über 90% der interstellaren Waren von den Piloten der Vereinigung befördert wurden, und die Pilotenvereinigung somit die Macht hatte, die Grundversorgung ganzer Systeme zu kappen, erkannten faktisch alle Mächte, Fraktionen und Regierungen die absolute Neutralität der Vereinigung an. Sie ließen ihre Wut fortan nicht mehr an den Piloten aus, selbst wenn diese mal wieder die eigene Verwandtschaft im Auftrag des Erzfeindes abschlachteten, sondern ratifizierten eine Reihe von Gesetzen, welche als die prinzipielle Neutralität der Pilotenvereinigung nunmehr im gesamten humanen Raum galt. Rein juristisch war die Vereinigung damit unantastbar geworden.
Dies, und die immer stumm im Raum stehende Drohung eine Station, oder gar ein ganzes System zu boykottieren, führte dazu, dass es sich jeder Despot zweimal überlegte, bevor er sich mit er Pilotenvereinigung beziehungsweise ihren Anwälten anlegte.
Das Entsenden von Spitzenanwälten, die sich in jedem bedeuteten System kostenlos um die Belange ihrer Mitglieder kümmerten, führte wiederum dazu, dass 99,8% aller Piloten der Vereinigung beitraten. Dies machte die Organisation zu einem der mächtigsten Player der Galaxy. Bezahlt wurde das Ganze, durch eine Gebühr von 1% auf jeden Auftrag, der über das virtuelle Schwarze Brett der Stationen gepostet wurde. Allerdings war diese Gebühr fällig, bevor sie auf dem Brett erschien. Und somit für alle Uneingeweihte nicht mehr sichtbar. Ein Prozent aller Aufträge der Bubble hört sich vielleicht nicht viel an, führte aber dazu, dass sie auf der Liste der reichsten Unternehmen seit über zweihundertvierzig Jahren nicht mehr unter Platz drei rutschten.
Doch den meisten Mitgliedern der Vereinigung, so auch Hanni, kam es mehr darauf an, dass sie ohne Hieb- und stichfeste Beweise nicht verhaftet werden konnten. Und selbst bei einem Auftragsmord, der in all zu vielen Systemen immer noch in die Todeszelle führte, wurden Mitglieder der Pilotenvereinigung stattdessen in speziell dafür bereit gestellten Gefängnisschiffen inhaftiert, wo sie ein Prozess erwartete, der sich nicht nach den Strafgesetzen des zuständigen Systems, sondern wieder nach den Gesetzen der prinzipiellen Neutralität richtete. Zumindest solange der Kommandeur nachweisen konnte, dass er nicht aus persönlichen Gründen gehandelt hatte. Dies führte meist zu Geld- und nur in Ausnahmefällen zu völlig lächerlichen Haftstrafen. Piloten der Vereinigung durften also wie in ganz alten Zeiten Blutgeld bezahlen, wofür normale Bürger in den Knast oder gar aufs Schafott wanderten.
Dies hatte aber auch einen gewaltigen Nachteil. Da es natürlich jeder wusste, versuchte man überhaupt nicht erst, unliebsamen Kommandanten mit der Macht der Justiz beizukommen. Stattdessen heuerte man selbst einen Commander an und gab ihm den Auftrag, seinen unerwünschten Kollegen zu liquidieren. Alles gedeckt durch die absurden Gesetze der prinzipiellen ... na sie wissen schon.
»Ich empfehle Ihnen, auf keinen Fall die Station zu verlassen. Fuhr der Anwalt fort. Sanches hat das schon öfter durchgezogen. Er hält die Schiffe eines Piloten für forensische Untersuchungen fest, bis der Pilot die Geduld verliert und sich eine Sidewinder kauft, die sie im laut Gesetz nicht verweigern können. Ganz zufällig wird er beim Anflug zum nächsten Tankstopp von einem Piraten abgeschossen. Die blockierten Schiffe verlieren damit ihren Besitzer und werden, falls sich kein Erbe meldet, versteigert. Aber selbst wenn es einen Solchen gäbe, woher sollte er wissen, dass er geerbt hat?
Zufällig sitzen nur Sanches Freunde und Untergebene in der Auktion und damit bekommt er die Schiffe für ein Stück Kunstfleisch und ein Klonei. Jetzt werden auch endlich mal die Forensiker fertig, und Sanches kann die Schiffe auf einer richtigen Auktion mit einem riesen Gewinn verkaufen. Ich möchte nicht, dass es Ihnen auch so geht, Commander. Deshalb tun sie uns bitte Beiden den Gefallen und bleiben sie in Ihrem Hotel, bis ich Ihre Schiffe losgeeist habe.«
Im Normalfall hätte Hannibal diesem Vorschlag gerne zugestimmt. Doch falls der Earl wirklich herausfinden konnte, warum sein Lebenslauf nur fünf Jahre zählte, war der Versuch vernünftiger, mit einer popligen Sidewinder einem Killer zu entkommen. Im Übrigen musste er die Anderen warnen. Es war immerhin möglich, dass nicht nur seine Vita viel zu kurz war, um als authentisch durchzugehen. Daher erklärte er dem verblüfften Anwalt, dass er sich die Geschichte ganz anders vorgestellt hatte. Dr. Franklin hörte ihm aufmerksam zu, starrte eine Weile tief in sich gekehrt ins Leere und sagte dann:
»Sie sind wahninnig, Kommandant. Wenn das allerdings wirklich klappt, aber das wird es nicht, dann hat Sanches keine ruhige Minute mehr. Die Presse wird ihm das Leben zur Hölle machen, und irgendwann wird er dadurch für seine Vorgesetzten unhaltbar.
»Genau das ist der Plan.« Bestätigte Hanni.
»Commander, ihre Chancen, dies in einer Sidewinder zu überleben, sind auch ohne Sanches Killer im Rücken alles andere als günstig. Ich bitte Sie eindringlich, gehen Sie in ihr Hotel und lassen Sie mich das machen.«
»Alles was ich von Ihnen brauche, Dr. Franklin, ist ein gutes Wort beim Imperial Herold und etwas Unterstützung, damit Mr. Anderson seine Beluga erreicht. Ich will nicht, dass er zum Sündenbock gemacht wird. Sollte das nicht funktionieren, setzte ich mich in mein Hotel und halte die Füße still, versprochen.«
Franklin schüttelte grinsend den Kopf. »Ich glaube zwar immer noch nicht, dass sie auch nur hundert Lichtjahre weit kommen, aber für die Chance Earl Sanches Gesicht zu sehen, falls die Story jemals im Herold erscheint, würde ich fast alles tun. Ich rufe den Chefredakteur an, und sorge persönlich dafür, dass Anderson sein Schiff erreicht, vorausgesetzt er kommt überhaupt.«
»Das kann ich nur hoffen,« murmelte Hannibal, »ich danke Ihnen. Alles Gute.«
»Das wünsche ich Ihnen auch Commander und viel Glück, Sie werden es brauchen.
Sie schüttelten sich die Hände, dann wurde es höchste Zeit für Hanni, Karl Anderson zu finden.
5.
Karl war nicht schwer zu finden. Entweder war er auf der Werft und schraubte an einem Schiff herum, oder er war in der Gemeinschaftsunterkunft der Werftarbeiter, etwas anderes besaß er nicht. Im Einflussgebiet der Prinzessin war Sklaverei verboten, was dazu geführt hatte, das der neue Eigner zwar seinen Sklaven die Freiheit schenken musste, als er sich in Cubeos Werften einkaufte, ihnen aber so wenig bezahlte, dass es praktisch kaum einen Unterschied machte. Genau wie Karl waren fast alle hier ehemalige imperiale Sklaven, das hieß, die Meisten hatten sich selbst in die Sklaverei verkauft, weil sie ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Ihr neuer Besitzer übernahm ihre finanziellen Verpflichtungen und ließ sie dafür für sich arbeiten, bis sie ihre Schulden beglichen hatten und somit ihre Freiheit zurückerlangten. Soweit die Theorie. Tatsächlich berechneten die meisten Sklavenhalter für ihre Arbeitskraft so wenig, dass es gerade mal für die Zinsen reichte. Somit war es praktisch unmöglich, jemals wieder die Freiheit zu erlangen. Prinzessin Aisling hatte völlig recht damit, diese Methode als menschenverachtend zu verdammen, doch das Problem war, dass die dadurch befreiten Sklaven ihre Schulden immer noch nicht bezahlen konnten. Karl und seine Kollegen waren zwar von nun an freie Arbeiter und bezogen einen kargen Lohn, mussten diesen aber gleich wieder zur Zinstilgung an ihren Arbeitgeber abdrücken und waren somit keinen Schritt weiter.
Hanni sah sich auf jeder Station sehr genau an, wer seine Schiffe reparierte und vor allem wie. Schließlich hing das Leben jedes Piloten davon ab, dass hier nicht gepfuscht wurde. Schon zu Militärzeiten hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, sich mit den Mechanikern gut zu stellen. So hatte Hanni auch in Medupe City so manche Runde an die Werftcrew spendiert, und sich die Zeit genommen ihnen zuzuhören. In Karl Anderson hatte Hanni einen begnadeten Mechaniker erkannt, dem man trotz all der dazwischenliegenden Generationen die nordeuropäische Herkunft immer noch ansah. Eines Abends hatte Hanni den blonden Hünen gefragt, warum er sich eigentlich nicht selbstständig machte, nachdem Karl eine komplizierte Reparatur an seiner Orca in Rekordzeit abgeliefert hatte. Karl schaute darauf so traurig, dass Hannibal ihm zum Bier einlud und sich seine Lebensgeschichte anhörte.
Karl Anderson war ein imperiales Kind armer Eltern, die sich den Schulbesuch ihres Sohnes buchstäblich vom Munde absparten. Der Junge war intelligent und begabt und wollte auf die Uni. Doch für ein Studium reichte das Einkommen der Eltern nicht aus, also nahm Karl einen viel zu hoch verzinsten Studienkredit auf. In seinem letzten Semester zum Schiffsbauingenieur brach er sich in einer Turnhalle ein Bein, verpasste, wären er beim Arzt saß eine Zwischenprüfung und bekam sofort von der Bank seinen Kredit gekündigt, da er nicht an der Prüfung teilgenommen hatte und deshalb als unwillig eingestuft wurde. Um seine Schulden zu bezahlen, verkaufte er sich selbst an eine große Werft, in der Hoffnung irgendwann sein Studium beenden zu können. Und hier saß er nun, und zwar schon seit Jahren. Ohne Chance, jemals wieder aus den Knebelverträgen der Werft herauszukommen.
Hanni traf ihn in der Werft, wo er gerade einen Landecomputer einer T7 konfigurierte, und wartete bis er damit fertig war, dann zog er ihn zur Seite.
»G´nabend Karl. Ich brauche dringend deine Hilfe.«
»Kommandant Hassildor,« stammelte Anderson, »bitte Commander, ich habe Anweisung sie sofort zur Chefin zu schicken, falls ich sie hier sehe. Ich will keinen Ärger.«
Hanni nickte: »Darauf wette ich. Sag mal, deine Chefin steht nicht rein zufällig auf der Schwarzgeldliste von Earl Sanches?«
»Bitte, Kommandant, ich ...«
»Nein Karl, ich bin derjenige, der hier bittet. Alles ganz legal. Versprochen. Ich weiß schon, dass du mich nicht zu meinen Schiffen gehen lassen darfst. Also keine Sorge. Alles was ich von dir will, ist, dass du einen ganz normalen Auftrag für mich erledigst. Da kann Dir niemand am Zeug flicken. Dafür gebe ich Dir dies.«
Er hielt Karl einen Creditstab unter die Nase.
»Was ... , was soll das?«
»Na schau selbst.«
Anderson nahm den Stab mit einem Gesicht entgegen, als hätte Hanni ihm ein gebrauchtes Präservativ überreicht, hielt ihn an den Scanner seines Tablets und riss die Augen weit auf.
»Fünf Millionen Credits?«
»Deiner!« Sagte Hannibal bestimmt. »Alles was ich dafür haben will, ist ein möglichst guter Treibstoffsammler und einen Zusatztank. Von Dir eingebaut in die Sidewinder, die hier irgendwo für mich herumsteht. Von dir persönlich, ich traue hier sonst keinem. Sammler und Tank bezahl ich natürlich ganz offiziell extra.«
»Das ... Das ... Das kann ich nicht machen.«
»Doch Karl, das kannst Du! Denn in zwei Stunden startet die Starqueen nach Lave. Und Du sitzt in der ersten Klasse, hast deine Schulden bezahlt, deinen miesen Job hier gekündigt und bist ein reicher und freier Mann. Denn wenn nicht, Karl, wirst du den Rest deines Lebens in dieser Werft verbringen und dich von heute an jeden Tag fragen, was wäre gewesen, wenn ich den Stab genommen hätte. Und ich werde dann schon lange tot sein, ermordet von der gleichen Art von Verbrechern aus einem korrupten System, die auch dein Leben zerstört haben!
Für dich ist das nicht mal eine halbe Stunde Arbeit. Du baust die zwei Module ein, überweist deine Schulden, schreibst deiner Chefin, dass sie dich mal kann, setzt dich in die verdammte Beluga, bestellst dir einen sündhaft teuren Cocktail und verschwindest.
Ganz legal Karl, du bist kein Sklave mehr, daher ist nichts davon ungesetzlich. Sobald du weg bist, setze ich mich in die Sidewinder und starte. Nur muss ich diesmal nicht zum Tanken anhalten, was es wesentlich schwieriger machen dürfte mich abzufangen. Fünf Millionen, Karl! Die Chance bekommst du nie wieder!«
Hanni hielt ihm das Flugticket hin und sah gespannt dabei zu, wie es in Karls Gesicht arbeitete. Sekunden lang sagte keiner von Beiden ein Wort, dann endlich griff Karl nach dem Ticket und nickte. »In fünfzehn Minuten sind die Dinger eingebaut. Verlass dich drauf!« »Ich danke Dir Karl. Du hast gerade meinen Arsch gerettet.«
»Nein, Hassildor ich muss dir ...«
Doch Hanni winkte nur ab und lief schon davon. »Warte nicht auf mich Karl, ich muss noch etwas erledigen. Nur seh zu, dass du in dieser Beluga sitzt, bevor sie abhebt!«
»Hey warte doch mal, was soll ich denn in Lave machen?«
Das war eine gute Frage, weshalb Hannibal stehen blieb. Lave war das erste passende System gewesen, dass ihm bei Kusmashi eingefallen war. Das war alles.
»Hmm, also wenn du Arbeit suchst, fliege weiter nach BD+56 1773 , Bertin City und frage nach Tsugumi Takanaka. Sie ist die Chefmechanikerin der dortigen Werft und sucht immer gute Leute, denn die expandieren da wie die Verrückten. Sag ihr einfach, dass ich dich geschickt habe. Und falls nicht ... Na dann lass es Dir gut gehen, Du bist jetzt Millionär.« Lachte Hanni und lief weiter.
Karl schaute ihm erst etwas ratlos hinterher, doch dann gab er sich einen Ruck und machte sich an die Arbeit.
6.
Jetzt fehlte nur noch der Imperial Herold. Hanni hoffte, dass Franklin die Typen dort neugierig genug gemacht hatte, und beeilte sich die Redaktion zu erreichen.
Ritter Frederick Hedson, Chefredakteur der Bedeutesten Onlinezeitung des Imperiums an der Niederlassung Cubeo, erwartete ihn schon, also hatte Franklin nicht zu viel versprochen. Sie besorgten sich einen Kaffee, dann fing Hannibal an seine Ideen auszubreiten.
»Natürlich bekommen Ihr Sie alle Exklusivrechte an der Geschichte und den Bildern, Herr Ritter. Und das Ganze für Lau.« Lockte Hanni den Mann. »Allerdings unter der Bedingung, dass sie eine zweite Folge schreiben, in der aufgedeckt wird, wie es zu dieser Reise gekommen ist, und vor allem was Earl Sanches damit zu tun hat. Ich möchte, dass Ihr diesem Kerl die Hölle heiß macht. Dr. Franklin wird Euch bestimmt dabei helfen, noch andere seiner Opfer zu finden. Der Ruf des Imperiums sollte nicht von solchen Leuten in den Dreck gezogen werden, ich verlasse mich da auf Eure Journalistenehre.«
Hanni hoffte, jetzt nicht zu dick aufgetragen zu haben, aber der Ritter schien sichtlich geschmeichelt. Eine abenteuerliche Reisegeschichte und eine zweite Folge über Korruption, Betrug und Mord. Und das Ganze umsonst? Wieso sollte ein Journalist dazu nein sagen? Und falls ich umkomme, so what? Hat sie ja nichts gekostet.
Wie erwartet, nahm der Ritter das Angebot gerne an.
»Eines noch,« sagte Hanni, als sie das Geschäft mit einem altmodischen Handschlag besiegelten, »Ich möchte sicherstellen, das Karl Anderson unbehelligt an Board kann. Er hat mir sehr geholfen, und ich will nicht, dass er von Sanches Leuten kassiert wird. Ihre Kameras dürften da Wunder bewirken, da Mr. Anderson völlig legal reist.«
»Wird gemacht. Sagte Hedson. Und viel Glück, wie lange werden Sie brauchen?«
Hannibal zuckte nur mit den Schultern.
»Verstehe,« sagte Hedson, »dann wünsche ich eine gute Reise.«
»Danke, Herr Ritter. Und seit bitte so nett, und ruft mich im Hotel an, falls es Ärger gibt. Ich starte, sobald die Beluga gesprungen ist.«
Sie schüttelten sich die Hände und Hanni ging zu seinem Hotel. Jetzt brauchte er endlich ein Abendessen.
7.
Eineinhalb Stunden später, warteten im Passagierbereich der Station zwei in dunkle Anzüge gekleidete Herren. Ihre Schultern waren einen Hauch zu breit für die üblichen Geschäftsleute, was niemand bemerkt hätte, hätten die Herren Maßanzüge getragen. Ihre jedoch waren von der Stange. Richtig auffällig wurde dies erst, als sich Dr. Franklin unübersehbar neben ihnen aufbaute und ihnen mit seinem Wolfslächeln zu verstehen gab, welche ungeheuere Freude es ihm bereiten würde, zwei Laufburschen des Geheimdienstes in der Pfeife zu rauchen. Als dann auch noch ein Kamerateam des Imperial Herold seine Linsen direkt auf sie und Franklin richtete, fingen Beide wie auf Kommando damit an, an ihren Krawattenknoten herumzufingern.
Als Karl Anderson eintraf und seinen Pass und sein Ticket an einem Computerterminal überprüfen ließ, um anschließend beide Dokumente mit zittrigen Fingern zum Boarding vorzulegen, zögerten die beiden Anzugträger zwar kurz, gingen dann aber doch zu Karl, um ihm ihre Pranken auf die Schultern zu legen. »Mr. Anderson, folgen Sie uns bitte, wir hätten da ...«
»Einen Moment meine Herren!« Rief Franklin direkt in die laufende Kamera, anstatt sie überhaupt anzublicken. »Ich bin Dr. Franklin, Anwalt der Pilotenvereinigung.« Fuhr er mit perfekten Fernsehlächeln fort. »Im letzten Monat sind die Stornorückerstattungen für unsere Passagierpiloten in Medupe City geradezu explodiert. Ich bin daher beauftragt, herauszufinden, weshalb so viele Passagiere ihren Flug nicht antreten können. Dieser Mann dort hat alle elektronischen Überprüfungen bestanden. Also erklären Sie uns bitte,« eine ausladende Geste in die Kamera, »warum Sie einen Passagier festnehmen, obwohl seine Papiere laut ihrer KI völlig in Ordnung sind. Dieser Mann hat stolze drei Millionen Credits für sein Ticket bezahlt! Credits, die wir zumindest teilweise zurückerstatten müssen.«
Natürlich wusste Franklin, dass kein Pilot der Pilotenvereinigung jemals einen müden Cent an Stornorückerstattungen bezahlt hatte. Und die Vereinigung selbst schon mal gar nicht. Aber er war überzeugt davon, dass ein breites Onlinepublikum die Wahrheit gar nicht hören wollte. Diese Geschichte kam einfach besser an.
Die Beiden Angesprochenen blickten nervös von Franklin zur Kamera und wieder zurück, dann murmelte einer: »Er hat einem Verräter des Nova Imperiums zur Flucht verholfen.«
»Ach, tatsächlich?« Fragte Franklin eindringlich. »Von einer Raumstation? Hat er ihm die Luftschleuse geöffnet, oder wie soll das gehen?«
»Er hat einem Piloten geholfen.« Stammelte der Zweite.
»Dann war es hochstwahrscheinlich einer von uns. Wie heißt dieser Pilot?« Schnauzte der Anwalt die Beiden jetzt an.
»Hassildor« knurrte der Erste darauf kaum noch hörbar.
»Wie bitte? Etwa Kommandant Hannibal Hassildor?« Fuhr Ritter Hedson, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte nun dazwischen. »Mit dem habe ich vor zehn Minuten noch ein Interview geführt. Charlie, sei doch so nett rufe mal im First Imperial an, und frage sie ob Commander Hassildor noch bei ihnen logiert.«
Der Kameraassistent tat augenblicklich, was sein Chefredakteur von ihm verlangte. Und der Kameramann hielt sofort auf seinen Kollegen und filmte den Anruf, er schien diese Story jetzt schon zu lieben.
Währenddessen, lies der Kommandant der Starqueen, über Lautsprecher verkünden, dass er gewillt war in genau fünf Minuten abzuheben und forderte die Passagiere daher zum letzten Mal auf an Board zu gehen.
»Commander Hassildor sitzt in der Hotellobby und trinkt ein Bier.« Rief Charlie dazwischen.« Er lässt denn Herren Agenten ausrichten, sie mögen doch vorbeikommen, dann gibt er ihnen auch eins aus.«
»Fluchthelfer! Was?« Fragte Franklin nun eisig den ersten Agenten und schob den völlig verstörten Karl mit sanfter Gewalt Richtung Gate. Jetzt kommen sie schon Mann, Bewegung, sonst verpassen sie Ihr Schiff.«
Die beiden Agenten, von der Kamera so gebannt wie die Maus von der Klapperschlange, ließen es wortlos geschehen.
Zwei Minuten später entriegelte die Starqueen ihre Magnethaken und hob majestätisch von der Landeplattform ab. Weitere zwei Minuten danach sprang sie aus dem System.
8.
Dreißig Minuten später begann Terry Gabman seinen Dienst. Das Erste, was er sah, war eine Sidewinder die entgegen aller Vorschriften durch den Schlitz boostete. Sie sprang, noch bevor er seine Verwarnung vollständig in sein Mikrophon gebellt hatte und ganz Cubeo konnte seine lauten Flüche empfangen, bis der Fluglotse begriff, das sein Funkkanal noch immer offen war.
Keine Minute danach überholte der nächste Irre, in seiner Imperial Courier, noch in der Station, die vor ihm gestartete T9, und rammte, da er an dem riesigen Pott kaum vorbeikam, eine gerade einfliegende Adder, die noch mitten im Kraftfeld steckte. Der Lichtbogen, welcher entstand, als die beiden Schiffe ihre Schilde im Kraftfeld des »Briefschlitzes« touchierten, war so grell, dass Terry einen Moment lang zu geblendet war um die Kennung der Courier von seinen Anzeigen zu lesen. Verschwommen sah er auf seinem Holoschirm, wie die Courier die Sogwolke der Sidewinder scannte und dann ebenfalls im Hyperraum verschwand, noch bevor Terry wieder genug sehen konnte, um ihr die fällige Strafe aufzubrummen.
»Diese Nachtschicht fängt ja wieder gut an!« Brüllte er. »Wofür zum Teufel sitze ich hier eigentlich? Die fliegen ja doch alle wie sie wollen ...«