Cmdr Hanni_Hassildor
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Independent
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Independent

Logbook entry

5. Teil

19 May 2020Hanni_Hassildor
1.  
Katz und Maus

Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:11 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem einsamen rotem Zwerg, 19,7 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Junker Thomas Müller verabscheute diesen Job jetzt schon. Während er Hassildors dritte Sogwolke scannte, überlegte er sich, wie Sanches wohl reagieren würde, wenn er den Opa einfach entkommen ließ. Es gab keinen Beweis dafür, dass Commander Hassildor für Nova arbeitete und Müller hatte seinen Chef im Verdacht, nicht das Interesse des Imperiums, sondern nur sein eigenes Bankkonto zu vertreten. Es war bekannt, dass der Earl korrupt war. Doch das war von vielen imperialen Beamten bekannt, ohne dass etwas dagegen getan wurde. In einer feudalen Gesellschaft war es schwierig gegen korrupte Adlige vorzugehen, besonders wenn es sich um den eigenen Dienstherren handelte. Selbst wenn man Sanches auf Grund seiner Aussagen verhaften würde, was mehr als unwahrscheinlich war, wäre Müllers Karriere damit, für alle Zeit beendet. Niemand hat Verwendung für einen Nestbeschmutzer, nicht im Imperium. Der einzige ehrenhafte Ausweg für einen Adelsbastard wie ihm, war eine Beförderung, sonst kam er von »Earl Schweinebacke« nicht los. Doch, um befördert zu werden, musste er erst einmal Sanches Drecksarbeit erledigen. Also würde er den Opa in der Sidewinder umbringen, spätestens im nächsten System wollte er ihn rausziehen und wegpusten, denn weiter konnte Hassildor unmöglich springen, ohne aufzutanken. Der Commander musste inzwischen gemerkt haben, dass Müller ihn verfolgte, daher hatte der Junker eigentlich damit gerechnet, von ihm angefunkt zu werden. Die Meisten boten Geld an, manche bettelten sogar um Gnade, doch der Opa war entweder zu stolz, oder zu stur dazu. Doch das war auch egal, denn um so schnell auf wie möglich befördert zu werden, konnte er keine Gnade walten lassen. Und Müller wollte auf keinen Fall so, wie sein Dienstherr werden. Daher war er nicht bestechlich.

2.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:23 Uhr.
Namenlose Sidewinder, Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Das war jetzt das dritte System mit einer imperialen Raumstation, die er links liegen lies und einfach weiter sprang. Spätestens jetzt würde selbst ein Jungspund wie Müller begreifen, dass die Seifenkiste nicht nur einen Treibstoffsammler, sondern auch einen Zusatztank hatte. Das hieß, er zwang den Junker zum Handeln, oder Hanni würde früher oder später das Imperium verlassen. Der föderale Colonel a.D. Hannibal Hassildor war sein ganzes Leben lang ein Explorer gewesen, er wusste wie man ein Raumschiff an einem Stern betankte ohne Hitzeschäden davon zu tragen. Er wusste, was man abschalten musste, um die Temperatur unten zu halten, er hatte ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, welche Entfernung mit welchem Schiff, bei welcher Konfiguration die Richtige war. Er hatte mehr Sternen Wasserstoff abgesaugt, als ein normaler Handelspilot jemals zu Gesicht bekam. Jetzt würde er mal testen, was der Junker darüber wusste. Wenn es schon zum Konflikt kam, dann zu seinen Bedingungen. Das er der Courier im Kampf weit unterlegen war, brauchte er nicht erst auszuprobieren. Doch es gab Waffen in der Raumfahrt an die die jungen Raumpiloten nur selten oder gar nicht dachten. In diesem Fall die unvorstellbar hohe Strahlungsenergie eines viel zu nahen K-Sterns. Er flog die Sidewinder in die perfekte Tankposition, stoppte und drehte sein Heck genau zum Zentrum des Sterns.

3.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:25 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Der Opa lag vor dem Stern und tankte in aller Seelenruhe. Das erklärte natürlich, warum er keine der Raumstationen angeflogen hatte. Wo zum Teufel hatte der Kerl den Treibstoffsammler her? Hatte »Earl Schweinebacke« etwa vergessen, die Werft zu unterrichten? Doch das war Quatsch, begriff Müller sofort. Wenn es so gewesen wäre, würde der Alte jetzt im Cockpit seiner aufgemotzten Orca, oder Anaconda sitzen und hätte den Junker mit einem einzigen Sprung abgehängt. Was war da also schief gelaufen? Irgend jemanden musste er in der Werft bestochen haben. Da werden ein paar Köpfe rollen, wenn ich zurück bin, dachte sich Müller grimmig. Doch dann wurde ihm mulmig, denn er realisierte, dass es sein Kopf sein würde, wenn er Hassildor nicht sofort aufhielt. Wie auch immer er das mit dem Treibstoffsammler angestellt hatte, wenn er es schaffte, im Vorbeiflug genügend Sprit zu bunkern, blieb Müller nicht die Zeit die sein FSA-Unterbrecher brauchte um ihn aufzuhalten. Der Opa würde das Gebiet der Allianz erreichen und mit Freuden ein paar Allianz-Vollstrecker auf den imperialen Agenten Thomas Müller hetzen. Herzog oder nicht, der Mistkerl war einer von Ihnen. Doch wahrscheinlich machte er sich unnötig Sorgen. Sein Treibstoffsammler konnte nicht viel taugen, so lange wie Hassildor jetzt schon vor dem Stern lag. Der musste doch schon kochen, verdammt. Trotzdem wollte Müller kein Risiko eingehen, und beschloss, es jetzt zu beenden. Er verkürzte den Abstand, leitete Systemenergie in den Unterbrecher und bekam nur ein monotones: »Sie müssen hinter das Ziel geraten.« Von seinem Bordcomputer zu hören. Die diffizile Quantenphysik, welche hinter der Funktionsweise eines FSA-Unterbrechers steckte, begriffen nur wenige Menschen. Aber ob man nun dazu gehörte oder nicht, um den Frameshiftdrive eines Gegners zu stören, musste man sich hinter ihm befinden. Also schnell eine Kurve geflogen und sich hinter das Opfer gesetzt und dann sag gute Nacht, Commander Ha... »Ohh Scheiße!«

4.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:26 Uhr.
Namenlose Sidewinder, Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Hannibal schaute grinsend dabei zu, wie sein Verfolger vom Radarschirm verschwand. »Beim ersten mal fallen sie doch fast alle drauf rein.« Murmelde er zufrieden. Der gute Junker hatte gerade auf die harte Tour gelernt, dass man sich nicht ungestraft hinter ein Ziel setzen konnte, dass so nah vor einem Stern lag. Die automatische FSA-Notabschaltung, die verhindert hatte, dass Müller seine Courier im K-Stern versenkte, war mit Sicherheit heftig genug gewesen um ein Paar ordentliche Modulschäden zu erzeugen. Und mit etwas Glück hatte Müllers Schiff auch einen Hüllenschaden davon getragen. Und er würde sich noch ein paar beträchtliche Hitzeschäden einhandeln, wenn er zu ungeduldig war, um sich im Unterlichtbetrieb erst weit genug vom Stern zu entfernen, bevor er in den Supercruse überging. Und das würde er, wenn er nicht riskieren wollte, Hannis Sogwolke zu verlieren. Hanni entfernte sich ein Stück vom Stern und sprang in das nächste System auf seiner Route. Und sofort zurück. Genau wie geplant, sah er nichts auf dem Radar. Die Courier war noch nicht wieder im Supercruse. Es dauerte, bis ein FSA nach einer Notabschaltung wieder einsatzbereit war. Die Zeit musste reichen, um möglichst spurlos zu verschwinden. Doch jetzt ging es um Sekunden. Hanni drehte vom Stern weg, ging aus dem Supercruse, gab vollen Schub und boostete. Dann schaltete er den Flugstabilisator aus und die Triebwerke ab. Jetzt trieb er mit über 290 Km/s vom Stern fort durchs All. Es würde eine ganze Weile dauern, bis die Gravitation des K-Sterns ihn wieder einfing. Hannibal fuhr alle Systemmodule einschließlich des FSA, bis auf die Lebenserhaltung und die Sensoren herunter. Da das Schiff jetzt kaum noch Wärme erzeugte, viel auch die Hitzeimmission auf unter 6%. Auf der Cockpitscheibe gefror das Kondensat seines Atems, und es wurde, da er keinen Helm trug, selbst im Druckanzug unangenehm kühl. Doch kein handelsüblicher Scanner würde ihn jetzt noch aufspüren, es sei denn man flog rein zufällig in Sichtweite an ihm vorbei. Müller würde nun also seine schon verblassende Sogwolke scannen, ins nächste System springen, und mit etwas Glück die Spur dort verlieren, wenn die dortige Sogwolke bis dahin ebenfalls verblasst war. Dann würde er wahrscheinlich die umliegenden Systeme abklappern, in der Hoffnung eine neue Spur von Hassildor zu finden. Nach ein paar Stunden wird er aufgeben, da eine Suche dann keinen Sinn mehr macht. Hanni hatte vor sich hier tot zu stellen, bis die Gravitation des Sterns seine Fluchtgeschwindigkeit überwand und ihn zu sich zurückzog. Dieses Hin- und Hertreiben wird viele Stunden in Anspruch nehmen und im Zusammenspiel mit der extrem niedrigen Immission seines Schiffs würde es praktisch aussichtslos werden, seine Position zu berechnen, da er ständig in Bewegung war. Dann würde er seine Triebwerke und seinen FSA zünden und sich hier ganz unauffällig vom Acker machen. Und erst wieder anhalten, wenn er ein Allianzsystem erreicht hatte. So weit der Plan.
In dem Moment wurde er vom Lichtblitz Müllers geblendet, als dieser keine zweitausend Meter vor ihm entfernt mit seiner Courier in den Normalraum zurückfiel.

5.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:29:14 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

»Wo ist dieser Scheißkerl?« Brüllte Junker Müller, obwohl er genau wusste, dass er von niemandem eine Antwort erhalten würde. Kurz glaubte er, es sei etwas auf seinem  Radar aufgeflackert, doch als er bewusst hinsah, war der Schirm leer. Wie hatte er sich nur so vorführen lassen können. Wie ein Flugschüler in der ersten Woche war er in den Stern gebrettert. Er wusste gerade nicht genau, auf wen er wütender war, den Opa oder sich selbst. Er hatte es gerade noch so geschafft, dessen Sogwolke zu scannen, und dann fand er sich mutterseelenallein in einem unbewohnten System wieder, dessen einziges Highlight aus einem völlig belanglosen braunen Zwerg bestand. Keine Sidewinder, kein Hassildor, nicht mal seine Sogwolke. Irgend wie hatte der Opa es geschafft ihn schon wieder zu verarschen. Wären die Sensoren des Alten nicht mit einer ganz speziellen Software des imperialen Geheimdiensts gefüttert worden, hätte er den Mistkerl wahrscheinlich nie wieder gesehen. Schiffssensoren untersuchen ständig alle nur denkbaren Signale um sich herum, und berechnen damit nicht nur die genauen Positions- und Annäherungsdaten für die eigene Navigation, sondern geben auch fortlaufend verschlüsselte Datenpakte in den Hyperaum ab. Erst dadurch ist es einem Geschwader überhaupt möglich über Lichtjahre hinweg zusammen zu bleiben oder sich auf der Galaxiekarte die Kennung eines weit entfernten befreundeten Schiffes anzuzeigen zu lassen. Die spezielle und natürlich illegale Software, in Hassildors Sensoren, tat das Letztere. Es zeigte Müller die Position der Sidewinder auf der Galaxiekarte an, nur das Hassildor das nicht wusste und er bestimmt nicht als befreundetes Schiff durchging. Dank dieser Information war Müller überhaupt wieder hierher zurückgesprungen und hatte zufällig die Sogwolke geringfügiger Energie, die Hannis Eintritt in den Normalraum kennzeichnete gefunden, bevor sie sich aufgelöste. Und jetzt war er hier, hatte seine Waffen ausgefahren, war stinksauer und der Kerl war schon wieder nicht da. Sowas gibt es doch gar nicht, der muss doch hier sein. Er flog ein paar große Bogen, doch sein Radar bleib leer. Er wollte gerade die Waffen einfahren und aufgeben, als das Licht des K-Sterns von einem winzigen Punkt draußen im All reflektiert wurde. Sein Radarschirm war immer noch leer und seine kardaischen Waffensysteme fanden kein Ziel, da begriff Müller endlich und feuerte mit allem, was er hatte in die Dunkelheit.

6.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:30:04 Uhr.
Namenlose Sidewinder, Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Geistesgegenwärtig hatte Hanni auf »Stillen Flug« umgeschaltet und damit jede Wärmeabstrahlung seines Schiffes ins All unterbunden. Wie oft hatte er sich damit früher an den Thargoiden vorbei gemogelt? Doch diesmal hatte er sogar einen Vorteil, da fast alle relevanten Systeme der Sidewinder schon abgeschaltet waren, heizte sich sein Schiff nur sehr langsam auf. So konnte er sich minutenlang weiter treiben lassen, und darauf hoffen, dass ihn Müller gar nicht bemerkte. Der Junker war zwar nahe genug an ihm vorbei geflogen, um für Sekundenbruchteile auf seinem Radarschirm aufzuploppen, aber Hanni musste einfach hoffen, dass der imperiale Agent es nicht gesehen hatte. Mehr als diese Hoffnung hatte er im Moment nicht. Mit ein wenig Glück zog die Courier wieder ab, bevor die Sidewinder kochte. Doch nur für den Fall ließ er den Navigationscomputer eine neue Sprungroute berechnen. In genau diesem Moment schlugen die ersten Uranmantelgeschosse aus Müllers Multikanonen in Hannis ungeschützte Schiffshülle ein. Jemand mit weniger Erfahrung, wäre jetzt leicht in Panik geraten, doch Hanni versuchte abzuschätzen, wie weit der schwere Impulslaser des Junkers vorbeischoss, erkannte daraus, dass Müllers Multikanonen reine Zufallstreffer landeten, weil der Laser viel zu weit vor seinem Ziel lag, aktivierte die Triebwerke und den FSA, ohne den stillen Flug zu beenden, und sprang mit 248% Hitze in das nächste Sternensystem. Erst dann beendete er den stillen Flug, und ließ die Wärmeabstrahler der Sidewinder ihren Dienst verrichten. Er musste husten von den Kleberdämpfen, die bei diesen Temperaturen von seinem in Auflösung begriffenen Armaturenbrett aufstiegen. Seine Barthaare kräuselten sich in der Hitze des Cockpits. Vielleicht war es jetzt langsam doch an der Zeit, seinen Helm aufzusetzen.

7.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:30:04 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem Stern der Klasse K, 34,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Die verfluchten Waffen schalteten immer noch nicht auf das Ziel auf, obwohl die Sidewinder vor ihm die Sprungtriebwerke auflud. Dieser Wahnsinnige konnte doch nicht ernsthaft im Silent Running springen? Jedem Flugschüler wurde praktisch am ersten Tag beigebracht, genau dies auf keinen Fall zu tun. Müller wusste nicht, ob er mit seinem blindwütigen Geballere getroffen hatte, wahrscheinlich nicht. Er konnte nur ungefähr in die Richtung feuern, und dabei sah er das winzige Schiff in der Dunkelheit kaum. »Dann mach doch die Nachtsicht an du Vollidiot!« Brüllte er seinen Frust in sein einsames Cockpit. Ah, jetzt seh ich dich Alter Mann, ein paar Grad Steuerbord, ein bisschen weniger vorhalten. Müller korrigierte minimal seinen Kurs beschleunigte stark, um schnell näher heranzukommen, dann jagte er seine geballte Feuerkraft in das ungeschützte gegnerische Heck. Zumindest fast. Den der Impulslaser ging um Zentimeter am Ziel vorbei und die nachfolgenden Geschosse der Multikanonen trafen nur noch Hassildors Sogwolke. Die Courier schoss mit maximalem Schub an der Sogwolke vorbei, so dass er erst abbremsen, wenden und zurückfliegen musste, bevor er seinen Scanner darauf ausrichten konnte. Müller brüllte vor Wut, der Kerl hatte ihn schon wieder verschaukelt. Doch ganz langsam machte seine Verachtung für den Opa einem Hauch Bewunderung Platz.

8.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:45:36 Uhr.
Namenlose Sidewinder, Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse G, 67,9 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Sprung, Vollgas, tanken, Sprung. Wieder und wieder. Hanni ging so nah an den Stern, wie es überhaupt nur möglich war, ohne einen Hitzeschaden oder gar eine Notabschaltung zu riskieren. Und immer saß ihm der Müller im Nacken. Der Kerl flog wie ein Irrer. Da im Supercruse alle Schiffe die gleiche Beschleunigung aufwiesen, eine physikalische Besonderheit im Überlichtraum, konnte der Kerl ihm nur deshalb auf die Pelle rücken, weil er die Kurven um die Sterne noch enger nahm als es Hanni tat. Dafür zollte er dem Junker ungewollt seine Bewunderung. Kaum zu glauben, dass dieser Bengel das besser konnte als er, obwohl er mindestens dreißig Jahre mehr Erfahrung hatte. Ein paar Mal war es so knapp, das die Abfangwarnung schon aufheulte, obwohl der Countdown seines FSA´s noch lief. Es erforderte jedes Mal sein gesamtes Können und ein Quäntchen Glück, dem FSA-Unterbrecher zu entkommen und in den nächsten Sprung zu wechseln. Doch lange konnte das nicht mehr gutgehen, das wusste er. Noch ein paar Sprünge und der Junker würde ihm den Arsch aufreißen, wenn er sich nicht schnellstens etwas einfallen ließ. Sein FSA war, dank seiner eigenen Dummheit, ein E-Modul. Für das Geld hätte Karl ihm bestimmt auch was Vernünftiges eingebaut, doch das hatte er in seinem Größenwahn nicht verlangt. Die Reichweite dieses Mistdings war zu gering, um sich den Luxus zu erlauben, nur tankbare Sterne anzufliegen. Zwar konnte er, den Spritverlust, den ein Sprung erforderte fast immer beim nächsten Stern wieder ausgleichen, doch eben nur fast. Jeder Braune- und Weiße Zwerg und jeder T-Tauri Stern, brachte ihm dem Tod durch Müllers Geschütze etwas näher. Noch ein paar davon, und sein Tank wäre leer. Und dann?

9.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:45:36 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem Stern der Klasse G, 67,9 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Sprung, Vollgas, tanken, Sprung. Wieder und wieder. Müller ging so nah an den Stern, wie es überhaupt nur möglich war, ohne eine Notabschaltung zu riskieren. Und jedes Mal fraß sich die mörderische Hitze in seine Module. Der Kerl vor ihm flog wie ein Irrer. Da im Supercruse alle Schiffe die gleiche Beschleunigung aufwiesen, eine physikalische Besonderheit im Überlichtraum, konnte er ihn nur einholen, wenn er die Kurven um die Sterne noch enger nahm, als Hassildor es tat. Für dessen Flugkunst zollte ihm der Junker ungewollt seine Bewunderung. Kaum zu glauben, dass der alte Knacker das so gut konnte, obwohl er mindestens vierzig Jahre mehr auf dem Buckel hatte. Mehrmals war er ihm vom Haken geschlüpft, obwohl sein Unterbrecher schon dessen FSA-Drive störte. Und jedes Mal schaffte es der Kerl, irgendwie zu entkommen. Müller wusste, dass dies nicht mehr lange gutgehen würde. Mit jedem Stern wurde sein Hitzeschaden größer. Noch ein paar Sprünge und der Alte wäre nicht mehr aufzuhalten, wenn er sich nicht schnellstens etwas einfallen ließ. Sein FSA würde anfangen zu stottern, oder sein Kraftwerk wäre zu beschädigt, um die nötige Leistung zu erzeugen, Hassildor wäre endgültig weg und seine Karriere wäre endgültig beendet. Und dann?

10.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:57:34 Uhr.
Namenlose Sidewinder, Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse M, 97,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

Der Treibstoffsammler röhrte auf Volllast, doch es reichte nicht. Ein Sprung noch, dann war es vorbei. Hanni warf einen verzweifelten Blick auch das Navigationsmenü. Achtundvierzig Lichtsekunden vor ihm lag eine einsame Minenkolonie, auf einem kahlen, völlig unbedeutenden und viel zu heißen, metallreichen Planeten. Achtundvierzig Lichtsekunden, das war heutzutage lächerlich, doch es konnte zur Ewigkeit werden, mit einem imperialen Mörder am Heck. Doch was blieb ihm schon übrig? Der Trick, Müller zu nah an den Stern zu locken, würde nicht noch mal funktionieren. Wenn er volltankte, und dann weit genug für einen Sprung vom Stern wegflog, würde der Kerl schon auf ihn warten. Doch wo zum Teufel war der eigentlich? Hatte der Junker sich nach all seinen unglaublichen Tankmanövern endlich doch einmal verschätzt, und war dem letzten Stern zu nahe gekommen? Hanni nahm sich nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Je weiter das mörderische Schwein entfernt war, um so besser. Er wollte nur zu dieser kleinen Basis. Er wusste nicht mal, ob es da Treibstoff gab, doch ganz bestimmt gab es dort Zeugen, die es Müller erschwerten, ihn einfach umzubringen. Als er noch neunundzwanzig Lichtsekunden von dem Planeten entfernt war, tauchte hinter ihm ein Radarsignal auf. Müller!
Hanni schätzte blitzschnell die Entfernung ab, mit einem guten FSA-Unterbrecher konnte der Junker es noch schaffen. Zeit! Er brauchte nur ein wenig mehr Zeit. Er nahm den Schub weg, wartete, bis das Schiff unter 100 Km/s war und droppte keine zwei Sekunden, bevor Müllers Unterbrecher ihn sich griff, in den Normalraum. Dort zündete er sofort den Booster, hieb ungeduldig mit der Faust auf die Mittelkonsole und brüllte, den kleinen blauen Kreis, der auf seiner rechten Seite des holographischen Armaturenbretts die Zeit anzeigte, bis sein FSA wieder geladen werden konnte mit: »Jetzt komm schon, du elendes Stück Schrott!«, an. Im selben Moment, als hinter ihm Müller erschien, und die Waffen ausfuhr, war sein Frameshiftdrive geladen und katapultierte ihn in den Überlichtraum. Dieses Manöver hatte ihm ein paar Sekunden geschenkt, doch es würde nicht reichen, um den halben Planeten vor ihm zu umrunden und auf der Basis zu landen, bevor ihn der Junker wieder einholte. Vielleicht konnte er sich irgendwo auf dem Planeten verstecken und tot stellen? Er überprüfte den Status seiner Module, um herauszufinden, ob sein Fahrwerk noch in Ordnung war, als sein Blick an einer Anzeige hängen blieb, die ihn so erstaunte, das er fast das Bremsmanöver vergessen hätte. »Ich gottverdammter Vollidiot! Kein Wunder, dass diese Mistkiste kaum Reichweite hat. Scheiß Horizon Standart!« Doch dann fing er an zu grinsen, und drosch die Sidewinder fast senkrecht der Planetenoberfläche entgegen.

11.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 00:57:34 Uhr.
Imperial Courier Stiletto, Kennung: CU-581
Vor einem Stern der Klasse K, 89,4 Lichtjahre von Cubeo entfernt.

»Frameshiftdrive Malfunction!« Die Stimme seines Bordcomputers lies Müller trotz der mörderischen Hitze in seinem Cockpit, das Blut in den Adern gefrieren. Das war es jetzt also. Aus und vorbei, seine Karriere war beendet. Er hämmerte verzweifelt wieder und wieder den Sprungbefehl in seine Konsole und endlich, endlich lud sich der FSA wieder auf. Das hatte ihn wertolle Sekunden gekostet. Sekunden, die er beim nächsten Versuch vielleicht nicht mehr hatte. Er droppte vor einem ihm unbekannten M-Stern aus dem Witchspace und traute seinen Augen kaum. Wäre der Opa einfach weiter gesprungen, immer weiter, hätte er ihn bestimmt abgehängt. Aber der alte Idiot flog statt dessen auf den ersten Planeten des Systems zu. Müller überlegte nicht lange, warum. Es war ihm auch egal, denn dies war seine Chance. Zum Glück muckte sein FSA-Unterbrecher nicht, trotz des beträchtlichen Hitzeschadens. Doch gerade als er die Sidewinder im Fadenkreuz hatte, droppte der Opa in den Normalraum, und Müller fegte prompt wieder an ihm vorbei. Seine Wut erreichte gefühlt die Temperatur seines Cockpits. Er wollte Hassildor gar nicht mehr abschießen. Nein! Er wollte ihn jetzt langsam, ganz langsam erwürgen. Bis er die Stiletto gedreht hatte und bei Hassildors Sogwolke in den Normalraum fiel, hatte der Opa natürlich seinen FSA schon wieder geladen und ging auf Überlichtantrieb. Da waren Müllers Hardpoints noch nicht mal ganz oben. Und natürlich meuterte der beschädigte FSA erneut ein paar Sekunden, bevor er die Verfolgung aufs Neue aufnehmen konnte. Müller begann an all das zu denken, was er mit einem stumpfen Löffel tun könnte, bevor er den Opa langsam erwürgte. Als er endlich, endlich im Überlichtraum war, fand er nur noch Hassildors Sogwolke über dem staubigen Planeten. Aber nicht über der unbekannten Basis, sondern hier auf der Sonnenseite. Bildete sich der Verrückte etwa ein, er könnte ihn abhängen, wenn er knapp über dem Boden flog? Irrsinn, seine Courier war fast doppelt so schnell. Aber soll mir auch egal sein, jetzt ist Feierabend Hanni. Er droppte über dem Planeten in den Normalraum, und hatte fast augenblicklich Hassildors Sidewinder auf dem Radar. Der Idiot wollte wohl weitere Spielchen mit ihm spielen. Doch dieses Mal hatte er sich verrechnet. Die Sidewinder kam von der Oberfläche und schoß auf Müller zu. Wahrscheinlich wollte der Opa in den Orbit um ihn mit einem erneuten Sprung doch noch hinter sich lassen. Doch diesmal waren Müllers Hardpoints schnell genug. Der Impulslaser feuerte seine tödlichen Lichtblitze und die Multikanonen husteten ihre Uramantelgeschosse hinterher. Es war kein kolossales Feuerwerk. Eine platzende Sidewinder gab da nicht viel her. Und doch war Müller selten so glücklich über einen Abschuss. Der Kerl hatte ihm den letzten Nerv geraubt. Und jetzt musste er hier weg, bevor die Systembullen im Orbit auftauchten. Aber, gab es hier überhaupt Systembullen? Erst jetzt nahm er sich die Zeit, die Daten zu betrachten. Ja, es gab hier Bullen, dies war kein Anarchiesystem. Also nichts wie weg, bevor sie den Mord... Wie? Vierhundert Credits Kopfgeld? Wieso nur vierhundert? »Oh, Nein. Nein! NEIN!« Brüllte Müller vor Frust und Wut, doch es war zu spät. Hinter ihm droppten drei Viper in den Orbit. Er musste sofort hier verschwinden. Für einen Mord wären mindestens zweitausend auf seinem Kopf ausgesetzt worden. Vierhundert schlappe Credits gab es für eine gottverdammte Sachbeschädigung. In seinem Fall für die mutwillige Zerstörung eines unbemannten Schiffs.

12.  
Imperialer Sektor, 21.01.3305 01:00 Uhr.
SRV zugehörig zu einem namenlosen Schiff mit der Kennung: AJ-154
Vor einem Stern der Klasse M, 97,3 Lichtjahre von Cubeo entfernt. Erster Planet.

»Schiff zerstört!« Diese Meldung war normalerweise der blanke Horror, für jeden Kommandanten, der einsam auf einem atmosphärenlosen Planeten in seinem SRV hockte. Doch für Hanni war es Musik in den Ohren. Denn es rief die Systembullen auf den Plan, was den Junker erst ein mal beschädigen dürfte. Die Abwärme seines SRV´s in der glühenden Steinwüste dieses sonnenverbrannten Planeten war so gering, dass ihn kein Mensch mehr finden würde, solange er kein Ortungssignal ausstrahlte. Jetzt musste er nur noch bis zur Basis auf der Nachtseite des Planeten kommen. Die Notrationen eines SRV´s waren nicht gerade üppig, und er würde bestimmt etliche Male Treibstoff synthetisieren müssen, aber er würde es überleben. Er hatte schon ganz andere Reisen überlebt. Mindestens drei Tage, schätzte er. Wenn ich es langsam angehe, und jeden Tag ein paar Stunden schlafe, wohl eher fünf. Sollte gehen, wenn die Wasseraufbereitung oder die Lebenserhaltung nicht schlapp macht. Was dann kommt, werde ich sehen. Der Müller wird sich bald denken können, was los ist und zu der kleinen Basis fliegen. Vielleicht verpasst er mich, vielleicht verhaften sie ihn, vielleicht kann ich ihm irgend wo unauffällig eine Kugel in den Kopf jagen. Das seh ich dann, wenn es so weit ist. Jetzt erst mal kein Achsenbruch riskieren, und heil dort hinkommen. Dachte sich Hanni und fuhr los.
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