Ein Tag in Colonia
27 May 2020Max Bothin
1. Kapitel“Junge, wach auf! Wir haben Krieg!”
Die Wärme des Schlafs hielt ihn fest umschlossen. In der Tiefe des Unbewussten, frei von körperlichen Irritationen, begleitet von farbigen Eindrücken, in Ruhe, in Frieden. Ein Auftauchen war nicht erwünscht.
“Lass mich schlafen!”
“Junge, wach auf! Wir haben Krieg!”
Die Kraft zog ihn aus der Tiefe des inneren Meeres, das die Menschen Schlaf nennen, unbeachtet seines Drangs dort zu bleiben, an die Oberfläche. Die inneren Farben wurden heller, die Außenheit übernahm wieder die Kontrolle. Langsam wurde das Unbewusste ausgeschaltet. Er erwachte, auch wenn er nicht wollte.
2. Kapitel
Ich bin wahnsinnig aufgeregt!
Endlich darf ich mal mit einem Raumschiff mitfliegen! Ein Freund meines Vaters hat uns angeboten, dass ich jemanden von seinen Leuten bei seiner Arbeit begleiten kann! Morgen ist es soweit, ich kann kaum schlafen vor Aufregung. Mein Vater sagte, ich soll so wenig wie möglich stören, diese Leute seien recht kantige und wohl nicht sehr freundliche Leute und eigentlich machen die sowas nicht: einen Schüler wie mich mitzunehmen.
Es ist ja nur für einen Tag!
Morgen ist es soweit, und ich muss mich schon ganz früh an der Landeplattform am Störtebeker Dock einfinden. Dort bekomme ich wohl eine Einweisung wie das alles abläuft. Endlich!
Die Schule ist bald vorbei! Die Fächer, die mich interessieren, sind Physik und Astronomie. Ballistische Berechnungen, Gravitation, Antriebstechnik. Technische Mechanik, Dynamik.
Ich kann es kaum erwarten, bald schon als Kommandant die Galaxis zu bereisen! So viele Abenteuer, die ich da bestehen kann!
“Geh jetzt schlafen! Du musst morgen früh raus!”
“Ja, Vater!”
3. Kapitel
Helgoland, Störtebeker Dock, High-Tech-System, Demokratie, Unabhängiges System. Führende Fraktion sind die Likedeeler of Colonia (Loco)
“Setz Dich dahin mein Junge! Abrielle, kümmer Dich um den Bengel, ist der Sohn eines Freundes vom Kaleu, also Welpenschutz soweit möglich!”
“Sicher! Setz Dich da rein, den Anzug hast Du richtig angezogen, gut gemacht! Max, was fliegen wir heute ab?”
Ich bin stolz! Den Remlok-Suit habe ich zu Hause geübt. Ich wollte einen guten Eindruck machen.
Was für ein Schiff! In den Büchern sehen die viel kleiner aus! Die beiden fliegen eine Lakon Keelback. Ein bewaffnetes Handelschiff. Lakon Spaceways hat den klassischen T-6 Transporter gemodded und ihn härter für gefährliche Gegenden gemacht. Das Ding ist _riesig_! Dieses hier sieht schon sehr abgeranzt aus. Wie eine alte gelbe Postkiste. Zumindest sieht es alt und kaputt aus!
Was die wohl damit schon alles erlebt haben?
“Die Loco sind unter Druck, wie immer. Hier oben gibt´s die ganzen Spinner der Galaxis, die in den Kerngebieten keiner mehr haben wollte. Immer noch besser, als den Überblick zu verlieren. Angie hat uns einiges angeboten. Um den Einfluß der Dingos und der Radios in unseren Systemen zu mindern, fliegen wir heute Datenpakete nach Ogmar und Trakath. Außerdem sollen wir ins Coloniasystem springen und dort bei Jaques und bei Colonia Orbital jeweils 3 Tonnen Nahrungsmittel abliefern.”
“Colonia? Ausgerechnet heute, wo wir Besuch haben?”
“Die Arbeit geht vor!”
“Weißt Du Max, ich merke schon, dass Du einfach ein Imperialer bist!”
Der Kommandant ist ein ruppiger Typ. Sie ist ganz nett. Die beiden scheinen schon lange gemeinsam zu fliegen. Sie ist eine jüngere blonde, schlanke, kleine Frau mit sonnengebräunter Haut um die vierzig. Es ist blass, kurzrasierte Haare, grau. Grauer Remlok, graues Gesicht. Brille. Billiges Stahlgestell. Und er hat eine Narbe. Sie wirkt flink und wuselig. Er, als wenn ihn nichts aus der Ruhe bringen würde.
“Wenn wir Helgoland bedient haben, reicht die Zeit noch für Aurora Astrum!”
“Das habe ich befürchtet!”
Die Keelback scheint fertig beladen zu sein. Die beiden gehen ihre Startchecklisten durch. Ich finde das immer beachtlich: obwohl dies Routinemissionen sind, und die seit Jahren nix anderes machen: jedesmal gehen sie ihre Checklisten durch.
“Zustand der Module?”
“Diagnosesystem meldet 100%”
“Aufgetankt, munitioniert und Wartungszustand?”
“Die Kiste ist vollgetankt. Die Munition ist vollständig. Alle Schäden wurden durch den Wartungstrupp heute Nacht ausgebessert. Falls ich müde wirke, ich war bis heute morgen um 300 dabei!”
Die Schäden wurden ausgebessert? Mein Vater hat mir erzählt, dass der Beruf hier für die Loco zu fliegen gefährlich ist. Hier oben in Colonia gibt es wohl die verrücktesten Verbrecher der Galaxis. Man muss schon wissen, was man tut, wenn man hier überleben will.
Mutter will ja immer noch, dass ich meine Ausbildung in den ruhigeren Systemen der Kerngebiete beginne. Sie meint, dort wäre ich sicherer aufgehoben.
4. Kapitel Witchspace
“Lomac Mike Alpha, Sie haben Starterlaubnis!”
“Dann mal los!”
“Fahrwerk eingefahren! Horizontaler Schubregler auf Null, voller vertikaler Schub!”
“Flieg die Kiste einfach!”
“Wenn Du kotzen musst, nimm die Saugpumpe unter Deinem Sitz!”
Ich...werde...wahn...sinnig!...Was für ein Lärm! Was für ein Gerüttel! Mir bleibt die Luft weg, dieses Monster drückt mich in den Sitz, ich kann kaum atmen oder klar sehen!
“Und? Wie ist es? Geht´s?”
Sie schaut mich an, hoffentlich kotz ich jetzt nicht das Cockpit voll.
“Und?”
“Er hat genickt! ich denke, der Bengel packt das!”
“Lomac Mike Alpha, Waffenfreie Zone verlassen, passen Sie auf sich auf!”
“Voller Schub auf die Haupttriebwerke!”
Das Schiff hört auf zu schütteln, das Klappern und Knirschen lässt nach. Vater sagte, dass in größerer Höhe die Wirkung der Schwerkraft nachlässt. Die Schwerelosigkeit fühlt sich komisch an.
“Denk an die Saugpumpe!”
Nein, mir wird nicht schlecht! Ich bin so stolz auf mich! Der Radar des Schiffes zeigt die planetaren Körper des Systems und andere Schiffe an. Ganz offensichtlich in grün, das sind die Polizeischiffe der Likedeeler. Die gelben Signale sind die anderen.
“Die Komm ist an, oder?”
“Komm ist an!”
“Lomac Mike Alpha, Angie hier, Freunde, ich hab schlechte Nachrichten: hinter euren Ladungen für Jaques sind ein paar Kopfgeldjäger her. Die Dingos haben da wohl ihre Finger drin. Passt auf Euch auf. Anbei sende ich Euch die Namen der Kollegen. Für jeden nachgewiesenen Abschluß gibt es ein paar Credits obendrauf. Der Höhe nach, könnten die in Anacondas unterwegs sein. Everett, over!”
“Abrielle, mach Dich bereit!”
“Telepräsenz startbereit, Fighter startbereit! Junge, halt Dich fest! Eigentlich hätte ich heute lieber einen ruhigen Tag gehabt! Sorry, aber mach Dir keine Sorgen!”
Jetzt wird mir doch schlecht! Ich schaue auf den Radar, jeder gelbe Punkt macht mir Angst!
“Kommsignale inaktiv. Scanergebnis bisher: nur zivile Schiffe. Piloten sind clear. Erstes Ziel “Ogmar” eingestellt. Ziel ist in sichtweite, Schiff abdrehen!”
“Dann mal los!”
“Frameshiftantrieb aktiviert!”
“Schubregler auf Null!”
Die Keelback hat das Gravitationsfeld von Helgoland verlassen und sich in Richtung des Systems Ogmar gedreht. Die Piloten starten den Sprungvorgang, die Kiste macht wieder so seltsame Geräusche, es knirscht und knackt und es klingt, als wenn sich eine Spule auflädt. Ich bin noch nie im Witchspace gewesen, in einer anderen Dimension, in diesem Ort, von dem ich schon so viel gehört und gelesen habe!
“vier…”
Das Geräusch wird lauter. Das Knirschen stärker. Es rüttelt mich wieder ganz schön durch…
“drei…”
Mir wird schwindlig! Es ist, als würde man das Klo hinuntergespült!
“zwei....”
Die Sterne verschwimmen, alle Anzeigen scheinen still zu stehen!
“eins...Sprung!”
Was für ein Knall! Was für Geräusche! Man sieht Staubwolken, Galaxien, Neutronensterne, Nebel, alles fliegt an mir vorbei! Schreie! Unglaubliche Schreie! Irrbilder, das Schiff wird wie von einer Steinschleuder abgeschossen! Das ist überwältigend!
5. Kapitel: Ogmar, die Spelunke, Mischer und Herbie
Ogmar, Whirling Station, High Tech-System, Konförderation, Unabhängiges System. Führende Fraktion ist die GalCop Colonial Defense Commission.
“Ogmar erreicht. Navigiere nach Whirling Station.”
“Whirling ist eine Scheiss-Station!”
“He! Wir haben Besuch!”
“Komm ist clear, Radar ist clear! Voller Schub, Supercruise auf die Station!”
Nach dem Sprung wird man wie gegen eine Matraze gestoßen. Sofort wird die Sonne des Systems sichtbar und wächst beängstigend schnell auf ein riesiges Maß an. Man muss schon Eier haben um sich zum tanken an solch ein Monster ranzutrauen, glaube ich. Die Piloten haben das Schiff jetzt sofort auf die anzufliegende Station abgedreht und wir sind Vollgas unterwegs. Ich sehe auf dem Radar keine gelben Punkte.
“Distanz 6 Sekunden, Schub reguliert!...Wakedistanz erreicht, gehen aus Supercruise!”
Mit einem weiteren Knall taucht auf einmal die Whirling Station vor uns auf. Der Radar ist voller Schiffe, grüne wie gelbe! Die Station ist eine Coriolis mit solchen langen Armen. Ich las, dass hier oft Schiffe zerstört werden, wenn sie den Armen zu nahe kommen. Jetzt weiß ich, was der Pilot mit “Scheiss-Station” meinte.
“Ausrichten. Voller Schub, Flugassistenz aus, Schub abdrehen...warten...Nase zum Portal drehen. Gut so. Navcom: Landeerlaubnis anfordern.”
“Lomac Mike Alpha, Sie haben Landeerlaubnis. Landeplatz 23”
“Ausrichten, Flugassistenz an, Schub abdrehen!”
“Automatischer Landeanflug akzeptiert, wir übernehmen!”
“Achte auf die anderen Schiffe, Komplettscan!”
“Nur Zivilisten!”
Der Einflug in eine Coriolis ist auch ein Erlebnis! Die Lichter und Geräusche, die da vorkommen, sind der Hammer! Das Schiff beginnt zu blinken, die Alarme gehen los, dann brummt es, wenn man durch den Schlitz fliegt, sieht es aus, als fliegt man aus einem Nebel ins Freie. Kaum in der Station, ist dann auf einmal Luft vorhanden, man hört die anderen Schiffe, den Lärm der Station, die Fahrzeuge, Durchsagen, Alarme und Stimmen.
Hier ist was los! Großartig!
6. Kapitel: Angie Everett
“Everett, kommen!”
“Danke Kommandant! Der Landungstrupp wird die Ladung holen. Ich hoffe, bisher ist bei Euch alles gut gelaufen?”
“Natürlich, Angie!”
“Gut. Everett, over!”
“Die hat gut reden.”
“Bedenke, wer alles ein Kopfgeld auf Angie ausgesetzt hat. Den Job möchte ich nicht unbedingt machen. Ja, was wissen wir schon!”
Angie Everett ist sowas wie die Chefin der Likedeeler hier oben in Colonia. Das Hauptquartier der Kolonisten liegt im System Helgoland. Dort wurde ein Planetenhafen, das “Störtebeker Dock” gebaut, von dem aus die Bevölkerung des Systems ihren Handel treibt. Die Likedeeler gibt es auch noch in den Kernsystemen. Sie sind vor Jahren hierher expandiert, als man das Megaschiff von Jaques dem Cyborg hier im “Inner Scutus Arm” einer Region der Milchstrasse in der Nähe des Zentrums, gefunden hatte. Das ist eine andere Geschichte, aber auch spannend. Wir haben sie in der Schule in interstellarer Geschichte und Heimatkunde gelernt. Damals sind wohl die Piloten der Likedeeler, und viele andere Leute auch, die 20 Tausend Lichtjahre mit schweren Transportschiffen hierher geflogen, teilweise mehrfach, um Material für den Bau der Stationen zu liefern. “August Exodus” oder “Colonia Expansion Initiative” nannte sich das wohl. Und Angie ist nun die Person, die allen die mit den Likedeelern alliiert sind, zu Aufträgen verhilft.
“Der Ladevorgang wird eine Weile dauern. Wir haben jetzt 1200, guter Zeitpunkt, was zu essen! Wo geht es diesmal hin?”
“Keine Ahnung! Junge, was isst Du gern? Die haben hier auf Ogmar ganz gute Proteinderivate. Wie sieht es aus?”
“Klar!”
“Ich bleibe. Geht Ihr beiden ruhig!”
Abrielle und ich gehen das Landedeck entlang und zu den Aufzügen. Die Coriolis ist riesig! Überall der Lärm, die ganzen Schiffe, die Fahrzeuge, Maschinen. Wir fahren in die unteren Stockwerke, hier liegen die Versorgungsbereiche, hier haben Händler ihre Geschäfte aufgemacht, um Handel zu treiben. Bei dem Trubel hier ist immer eine Menge los. Die Flure sind breit genug, Scharen von Menschen sind unterwegs. Um diese Zeit machen wohl viele Leute Pause und wollen was essen. Abrielle scheint den einen oder anderen zu kennen.
“Oh Neun, Kommandanten! Na, heute auch wieder hier?”
“Abrielle! Oh Neun! Wo ist Max? Wer ist der Kleine da bei Dir? Müssten wir da was wissen? Geht Ihr Mittag machen?”
“Mischer, Herbie! Fliegt Sicher. Nein, Max ist am Schiff geblieben, der Bengel hier begleitet uns für einen Tag. Ist so ein Schulprojekt. Wir haben eine Information, dass die Dingos hinter uns her sind. In Colonia wird es spannend. Wenn wir Wingen könnten, wäre ich dankbar um Eure Unterstützung! Wir wollen zur Spelunke, kurz Mittag machen!”
“Logisch! Mach den Wing, sobald wir wieder auf Tour sind, sag Bescheid! Flieg gefährlich! Kleiner: halt die Augen und Ohren offen: Du wirst heute viel erleben! Bis bald mal wieder!”
Die waren aber nett. Abrielle und ich erreichen dann einen Replikatorladen, “Die Spelunke”, wohl ein Treffpunkt, für die Piloten, wenn sie in Ogmar unterwegs sind. Der Laden ist brechend voll. Überall wird erzählt und gelacht. Die Kapitäne berichten über ihre letzten Abenteuer und was ihnen alles so passiert ist. In Geschichte haben wir gelernt, dass dies Tradition der Seefahrer aus dem Sol-System, der Erde, war: man nannte das auch “Seemannsgarn”. Heiliger Klabautermann. Es ist herrlich hier!
“Startvorbereitung abgeschlossen! Ladung gelöscht. Wir nehmen noch ein paar weitere Daten mit und füllen den Platz mit Waren für Trakath auf.”
“Wingeinladung an die Kollegen Mischer und Herbie abgesetzt! Positiv angenommen! Wir sind nun zu dritt!”
“Gute Idee!”
Ich nehme wieder meinen Sitz ein, die Maschine wird durchgecheckt, die Startprozeduren durchgeführt und mit einem Knirschen und Brummen verlassen wir die Coriolis auf dem Weg zum nächsten Haltepunkt: dem System Trakath! Die Arme der Whirling Station drehen sich beängstigend schnell in unsere Richtung, als die Keelback in Richtung Zielsystem abdreht. Abrielle versetzt das Schiff in Dauerschub, was bei einem Kampftransporter wie diesem wohl nicht viel heissen mag. Ich habe gelesen, dass dieses Schiff nicht zu den schnellsten gehört, doch über 400 Meter pro Sekunde scheint die Keelback fliegen zu können.
“Aufgemotzte Triebwerke von Mel Brandon, mehr ist nicht drin! Radar zeigt Sidewinder in der Nähe! Schaut!”
Ein kleines Schiff der Sidewinderklasse versucht ebenfalls den Armen der Station zu entgehen. Max zeigt auf den Standort des Schiffes. Es kommt der Konstruktion beängstigend nah, es scheint nicht sehr schnell zu sein.
“Flugschule oder wie? Besondere Umstände erfordern besondere Kenntnisse.”
“Der schafft es nicht!”
Im nächsten Moment sieht man den Sidewinder verschwinden. Die Auslegerkonstruktion hat ihn mit voller Wucht erwischt.
“Da kommen die Sicherheitskräfte!”
Im Schatten des Auslegers kann man ein grünes Leuchten erkennen, von jetzt auf gleich, schwingt der Ausleger weiter, als sei nichts geschehen.
Der Sidewinder schwebt - offensichtlich unbeschädigt - auf der Stelle.
“Prismas. Also doch eine Flugschule! Aber zum Arzt müssen die dennoch. Die Sicherheit zieht sie aus dem Gefahrenbereich. Kleiner: deswegen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!”
Prismaschilde. Die wohl leistungsstärksten Schilde die man in Schiffe einbauen kann. Die kleine, schwache Sidewinder wird in Ogmar bei Flugschulen standardmäßig mit Prismaschilden und Boostern ausgerüstet. Das hilft bei kleinen und größeren Remplern. Zumindest den Schiffen, denn die G-Kräfte, die bei einem Unfall auf den Piloten wirken, können immer noch tödlich sein.
“Prismas hat unsere Keelie auch. 1000 Megajoule Leistung. Das ist die optimale Ausrüstung für die Kiste.”
Der Sprung durch den Witchspace nach Trakath verläuft wieder überwältigend. Ob ich davon jemals genug bekomme? Es ist beängstigend, furchteinflössend. Die beiden Kommandanten scheinen sich daran gewöhnt zu haben. Sie sind aufmerksam und ruhig.
7. Kapitel Trakath
Trakath, Safe Haven, Demokratie, Unabhängiges System. Führende Fraktion ist die Mobius Colonial Republic Navy.
Beobachten den Radar und die Kommunikationseinheiten.
“Verstärkter Traffic hier im System! Vollscan!”
“Eine FDL und eine Vulture. Ein paar Touristen. Eine handvoll Lakon Trader. Ich bleib auf der FDL. Die fliegt in unserer Richtung! FDL ist sauber.”
“Wiederhole den Scan, manchmal hakt die Kiste!”
“Mach ich”
“Info an Wing-Member, achtet auf Kopfgeldjäger. Kritisches System Colonia, zur Zeit in Trakath, alles clear, aber Vorbeugen ist besser als Kniebeugen!”
“Mischer: alles klar, over!”
“Herbie: hab Euch auf dem Schirm, over!”
“Danke, Freunde…”
Safe Haven ist ein sogenannter Außenposten. Eine fliegende Plattform, an die Aufenthaltsbereiche angebaut wurden. Der Platz für die großen Schiffe ist hier nicht vorhanden, so dass nur kleine und mittlere Schiffe landen können. Das beruhigt zumindest soweit, dass man auf der Station keine große Überraschung erleben wird, so wie in einer Coriolis. Vater erzählte mir von dem Einen oder anderen mal, wo Piloten nicht sofort das Schiff in den Hangaraufzug abliessen und dann von irgendwelchen komplett Irren in der Station aufs Korn genommen wurden. Zwar macht die Stationssicherheit dann recht schnell kurzen Prozeß, aber das All ist gefährlich und - so hab ich es beigebracht bekommen - so ziemlich alles und jeder hier sind irre und gefährlich. “Traue niemandem!” ist wirklich die Parole. Ich kenne es auch gar nicht anders. Wir nehmen dieses Misstrauen hier schon mit der Muttermilch auf. Das ist auch so eine Redewendung aus der Frühzeit der Menschheit. Bedingt durch die Effekte der Schwerelosigkeit sind die Menschen heute in den meisten Systemen mit wenig oder keiner Schwerkraft in der Retorte gezeugt worden. Medizinische Brutmaschinen sorgen für Sicherheit und Machbarkeit. Zumindest ich kenne Muttermilch nur aus der Redewendung.
“1600. Kaffeezeit. Aber dann ist Schluß. Nur eine kurze Pinkelpause, wir haben den dicksten Brocken noch vor uns!”
8. Kapitel: Colonia, Jaques und Colonia Orbital
“Signale auf dem Radar! Stelle Fluchtsystem ein, Schilde auf Maximum, Rest auf Waffen!”
“Du hast es so weit gebracht mit Deiner leckeren Fracht!”
“Missionsupdate: Feindwarnung! Achtung Kommandant! Weitere Kopfgeldjäger wurden auf Euch angesetzt! Anbei die Namen der Verbrecher. Ihr erhaltet einen Zuschlag bei Liquidierung pro Kopf von einer halben Million Credits!”
“Fünf!”
“Wie fünf?”
“Fünf zusätzliche Verfolger! Info an Wing: Leute, wir kriegen hier Zunder, wer Zeit und Lust hat, bitte um Unterstützung im Colonia System, sind im SC auf dem Weg zum Orbital!”
Hoch angespannt aber ruhig beobachten Abrielle und Max die Kommunikationssysteme und den Radar. Sie haben wohl schon einige mögliche Gefahrenpunkte ausgemacht und die Kollegen der Loco informiert. Mein Puls rast, ich zittere wie Espenlaub. Solche Angst hab ich mein Leben lang noch nie gehabt! Abrielle schaut ab und an lächelnd zu mir rüber, aber wirklich wohl scheint ihr nicht zu sein?!
“Ich hab hier weitere Signale die nicht gut aussehen! Fer-de-Lance, Clipper….Allianzschiffe...alles dabei!”
“In Colonia ist heute die Hölle los! Wir bleiben maximale Geschwindigkeit, drehen vom Orbital um 45 Grad backbord, mal sehen wer nachzieht!”
“Drei bleiben dran!”
“Warnung! Interdiktion durch feindliches Schiff! Ausweichmanöver einleiten!”
Jetzt geht alles rasend schnell! Das Cockpit ist in rotem Alarm erleuchtet, Max versucht die Keelback in einem Zielraster zu halten und bedient die Steuerkonsole ruhig und konzentriert. Abrielle hat die Telepräsenz zum Fighter, den die Keelback dabei hat, aktiviert und erwartet im Falle eines Erfolgs des Angreifers die Verteidigung per Fighter aufzunehmen. Das Schiff dreht und windet sich, die Kräfte die hier wirken sind kaum zu ertragen. Aussen sieht man Planeten an uns vorbeirauschen, Signale huschen auf dem Radar hin und her, alles blinkt, überall piept und quakt es. Und dann mit einem erneuten lauten Knall: das Schiff knirscht und es ist wieder ruhig. Nur den Antrieb hört man noch!
“Interdiktion abgewehrt! Drehen zurück auf Kurs! Distanz zum Orbital 20 Lichtsekunden, wir bleiben voll auf dem Gas!”
8. Kapital Colonia Jesus
Die Situation scheint sich ein wenig beruhigt zu haben. Die Beiden bleiben konzentriert und ich weiß nicht mehr, wo oben oder unten ist. Ich glaube mein Remlok riecht streng, oder vielleicht hab ich mir in die Hosen gemacht, ich weiß es nicht. Ich will eigentlich nach Hause zu meinen Eltern nach Helgoland. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Abenteuer? Wahnsinn! Das hier ist der Kampf ums pure Überleben! Warum tut man sich sowas freiwillig an?
“Vier verbleibende Signale auf dem Schirm. Wing: wir leben noch und sind im SC!”
“Haben Euch gesehen. Herbie ist im System mittlerweile angekommen. Schalte mich auf Euer Wingsignal auf!”
“Kommandant, diesmal kommst Du mit nicht davon!”
“Wer ist das? Check das Signal!”
“Hab hier die Clipper von vorhin, das ist SiDschäi!”
“Mist! Auch das noch!”
SiDschäi, oder Colonia Jesus!? Ich hab Geschichten gehört. In meiner Klasse wird ja gern von den kapitalsten Verbrechern der Galaxis dahererzählt, “CJ” ist einer von den, deren Geschichten ganz oben stehen. Ich dachte immer, das wären nur Geschichten?
“Gibt es den wirklich?”, frage ich.
“Bisher konnten wir jedesmal abhauen!”
“Aber, er hat uns auf dem Kieker! Mit dem ist nicht gut Kirschen essen!”
“Herbie hier: Leute, CJ hat Euch auf dem Schirm!”
“Herbie, Meiner: das wissen wir, danke...jetzt heisst es Arschbacken zusammenkneifen!”
“Kleiner, halt Dich fest!”
9. Kapitel: Umstände
“Abdrehen direkt auf Orbital, flieg am Planeten vorbei, Loop of Shame, dann abbremsen durch die Gravitation, aber aufpassen, nicht dass wir nicht mehr weg kommen!”
“Aye, Sir!”
Die Keelback dreht bei voller Supercruisegeschwindigkeit in Richtung Colonia Orbital ab. Die Orbital ist ein Außenposten der über dem Planeten positioniert ist, der uns und dem Schiff nun die richtige Bremsenergie verabreichen soll, so dass der Verfolger an uns vorbeifliegt und wir dadurch Zeit und Abstand gewinnen. Fliegt man dem Planeten aber zu nah und kommt man zu sehr in die Gravitation, so bremst das Schiff so stark ab, dass es lange Zeit braucht dieser wieder zu entkommen und die sichere Station zu erreichen. Dann ist man Futter für den Angreifer.
Wieder übersteigt das was ich sehe, meine Vorstellungskraft! Das Schiff dröhnt und knirscht, als es dem Planeten immer näher kommt, die Beschleunigung verkehrt sich ins Gegenteil, als die Schwerkraft des Planeten seine Wirkung zeigt, ich fühle mich im Sitz zuerst nach hinten gedrückt und dann - schlagartig und dann immer stärker werdend - nach vorn in die Gurte gezogen. Meine Eingeweide rebellieren, die Saugpumpe muss her. Wie geht das doch gleich?
“Ein sauberer Remlok hilft jetzt auch nicht weiter!”
“In der Ruhe liegt die Kraft! Hätte mich auch gewundert, wenn Du es bei Dir behältst, Junge! Beiss die Zähne zusammen, noch ist Polen nicht verloren. Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut!”
Was redet Max da immer in Redewendungen? Der Typ macht mich fertig!
Die Keelback schwingt, wie an einem Gummiband aus der Bahn in Richtung Außenposten, die Kommunikation des Schiffes simuliert das Geräusch des vorbeifliegenden Angreifers.
Das Manöver ist gelungen!
“Orbital in Reichweite! Sechs Sekunden Entfernung, drehen auf Blau. Die Tausend ist unterschritten, steigen aus SC aus, sofort Vollschub auf die Triebwerke und rein in den Hangar!”
Nach dem Knall, verliert das Schiff seine Supercruise-Geschwindigkeit. Abrielle zieht die Schubdüsen auf und so fliegen wir so schnell wie möglich zum Landeplatz, der uns auch sofort freigegeben wird. Nach zehn Kilometern ist die Waffenfreie Zone erreicht, was aber bei einem irren Verbrecher wie Colonia Jesus gar nichts heisst!
“Hätte schlimmer kommen können!”
Ich höre diesen Satz und mein Mund ist weit aufgerissen. Schlimmer?
“Stell Dir vor, die hätten keinen Landeplatz frei gehabt!”
10. Kapitel: in Sicherheit
“Angie Everett hier: hab gehört, was Euch passiert ist, gute Arbeit! Wir haben das Squadron gesamtheitlich informiert um Euren Hintern frei zu halten. Die letzte Mission ist für unseren Fortschritt unsagbar wichtig! Die Zeit läuft uns davon. Vielleicht macht es Sinn den Jungen im Orbital zu lassen? Wir können ihn abholen lassen?”
“Mischer hier: Angie, danke für die Hilfe, Wichtige Mission, wie? So wie immer, was? Was fliegen wir denn? Klopapier? Die Bundeslade? Die geheimen Pläne des Todessterns? Ich kenn den Laden doch!”
“Lass den Jungen raus!”
Irgendwie wurde ich bei der ganzen Aktion gar nicht gefragt, ich war auch noch zu verblüfft und durcheinander, ich wusste gar nicht mehr was los ist. Ich war dankbar, die Keelback und die Mannschaft von Abrielle und Max zu verlassen. Ich hoffte, mein Vater holte mich ab.
“Hier ist Daddy: Junge in zwei Stunden bin ich da. Ich hol Dich ab!”
“Danke, Vater”
Als nach dann doch drei Stunden mein Vater mit seiner Cobra endlich kam, schloß er mich in seine Arme. Ich war sehr froh und dankbar, dass ich aus allem raus war, soviel war passiert. Soviel hätte passieren können!
“Weißt Du wie es den beiden geht?”
“Sie haben Jaques erreichen können! Es scheint, als habe der Verfolger aufgegeben, mehr ist mir nicht bekannt!”
Ich nahm Platz in der Cobra, einem schnellen Schiff, dass seit vielen Jahrhunderten bei den Piloten sehr beliebt war. Mein Vater war ein Handelsvertreter, der mit diesem Schiff seine Reisen durch die Systeme machte und für die Firma, für die er arbeitete Lieferverträge und Transportaufträge koordinierte. Die Maschine war deutlich schneller und wendiger als die alte Keelback, es war einfach ein ganz anderes Schiff.
“Faulcon De Lacey, Sie haben Starterlaubnis, guten Flug”
“Navigationsrechner auf Helgoland eingestellt, nehmen erstes Sprungziel ins Visier! Computer, Schiff positionieren und dann Sprung!”
“Frameschiftantrieb aktiviert….vier….drei….zwei...eins...Sprung!”