05.12.3310 Abschied
05 Dec 2024Boergy
„Boss, ich muss nach Hause“.Das war der Funkspruch von ihr, der mich vor ein paar Tagen über meine Comm erreicht
hat.
Alexia Pickett ist meine Fighter Pilotin. Wir sind ein unschlagbares Team.
Vor Jahren schon habe ich sie angeheuert, als ich mein erstes Schiff mit Fighter Hangar gekauft
hatte. War das die Krait Phantom? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern.
Jedenfalls hat mich ihre Biografie damals schon überzeugt. Als eine Pilotin auf einem Space Dredger
hat sie irgendwann beschlossen alles hinzuschmeißen und das Großschiff zu verlassen. Sie
hat dann eine ganze Weile bei einer Hilfsinitiative mitgearbeitet. Im System Morrina. Davon hat sie
mir immer erzählt, wie viele Leben sie gerettet hat. Trotzdem waren ihre Kampfkünste unglaublich.
Deswegen und auch wegen ihrer sozialen Einstellung hab‘ ich sie unter Vertrag genommen und auch
bis heute behalten.
Inzwischen würde ich sie zu meinen besten Freunden zählen. Obwohl sie mich auch heute immer noch Boss nennt.
„Boss, ich muss nach Hause“.
Fünf kleine Worte, aber die Tragweite hier draußen, 22.000 Lj von der Bubble entfernt
kann sich jeder ausmalen. Die Nachrichten von Sol hab ich natürlich auch gesehen. Mir
läuft es immer noch eiskalt den Rücken herunter, wenn ich daran denke.
Und Alexia… Naja, hier kommt die Kampfpilotin und die menschliche, hilfsbereite, fast
schon altruistische Seite von ihr zusammen. Sie will die Thargos aus dem Sol System
katapultieren, wenn es sein muss auch mit ihren bloßen Händen. Ich kann es verstehen.
Hat mich ohnehin gewundert, dass sie auf diese Reise nochmal mitgekommen war.
Schon bei der ersten Reise hat sie die meiste Zeit auf der „Drag Queen“ und der Phoenix
verbracht, statt im Cockpit. Und dort in der Bar wohl einen guten Teil ihres Honorars
verzecht. Millionen hab´ ich ihr bei jeder Abgabe von Forschungsdaten überwiesen.
Aber den Vertrag auflösen konnte ich nicht. Dazu sind wir einfach ein zu gutes Team.
Auch auf dieser Reise war es nie ein Thema den Vertrag aufzulösen. Aber sie ist von
Anfang an auf der Gemini geblieben. Mit meinem Cousin Anton zusammen, der hier
arbeitet.
Die Gemini steht schon seit geraumer Zeit etwa 1800 LJ proximal von Waypoint 10. Es
beruhigt einfach die Crew und ein Rettungsschiff hier in einer halbwegs vernünftigen
Entfernung zu haben. Im Moment hatte ich ohnehin den Kurs auf meinen Träger gesetzt,
weil ich so automatisch ein bisschen abseits der normalen Route fliege. Und dann ruft
sie mich an und sagt diesen gottverdammten Satz.
Während ich meine Routenplanung anpasse und auf weite Sprünge umstelle, hallen ihre
Worte immer wieder in meinem Kopf.
„Boss, ich muss nach Hause“. Schöne Scheiße.
Nur 25 Sprünge bis zur Gemini. Dass ich die Lady heute noch wieder sehe, hatte ich
nicht erwartet. Ich steige aus und gehe direkt in die Bar, gebe nicht mal die
Forschungsdaten ab. Und da sitzt sie. An der Bar ganz rechts und starrt ins Leere. Als sie
mich sieht, steht in ihren Augen ihr Konflikt mehr als deutlich geschrieben. Sie will mir
eigentlich keine Probleme machen, aber sie will auch zurück. Da gibt es keinen Zweifel.
Der Angriff auf die Heimatwelt setzt uns allen zu, aber ihr besonders. Ich kenne kaum
jemanden mit einem größeren Gerechtigkeitssinn als diese Frau. Wir fallen uns in die
Arme und schweigen.
Irgendwann höre ich mich selbst sagen „ich lass Dich aus dem Vertrag. Flieg nach
Hause und tu, was getan werden muss“.
Sie hat kein einziges eigenes Raumschiff. Und meine stehen fast alle auf der ‚No Risk No
Fun‘. Auf der Gemini ist im Moment nur die alte ausgeschlachtete Cobra MK4, und…
die Orca. Die ist immerhin schon für Rettungsmissionen ausgebaut. Genug Kabinen für
Flüchtlinge sind also drin. Nur die Sprungreichweite ist sehr dürftig. Eigentlich kein
geeignetes Schiff für eine so lange Heimreise.
„Du denkst zu gradlinig. Manchmal ist der schnellere Weg der, der um die Ecke geht.“
erklingt plötzlich eine vertraute Stimme. Anton! Ich hab‘ ihn gar nicht rein kommen
hören. „Mach Dir keine Gedanken, ist schon alles geklärt.“ Ein breites Grinsen geht über
sein Gesicht. „Der Chefingenieur unten im Dock baut aus Deiner Mandalay den 5er
Guardian FSD Booster aus und in die Orca wieder ein. Wenn wir dann noch alles
ausbauen, was unnötig Masse mitbringt, kommt das gute Schiffchen locker auf 45
Lichtjahre. Mit den Modulen, die wir noch im Lager haben und evtl. noch aus Deiner
Mandalay ausschlachten können, sollten wir dieses Traumschiff eigentlich zu einem
ganz ordentlichen Langstreckenschiff umbauen können.
Ach ja und…… Ich fliege mit. Auch mit dem Guardian Booster sind es trotzdem noch
rund 450 Sprünge bis zur Bubble. Wenn wir uns im Cockpit abwechseln und in
Schichten schlafen, ist das aber in ein paar Tagen gut zu machen.
Genug Kabinen hat sie ja, und…“ er lacht. „Du kannst wetten, dass ich die zwei First
Class Kabinen einbauen lassen, die im Hangar gelagert sind. Nix mit Economy.“ Er lacht
schallend. „Der Pool muss sein.“
Ok, ich müsste eine Woche warten, bis die No Risk No Fun hier ankommt. Aber dann
kann ich den anderen FSD Booster aus der Asp Explorer ausbauen und die Mandy hier
wieder flott machen. Hört sich gar nicht so schlecht an. Dann ist das wohl beschlossen.
Alexia verlässt uns und zieht in den Krieg.