Der Beginn einer Freundschaft
18 May 2023Jaroslaph
*Jaroslaph war in Gedanken vertieft. Nach der nächtlichen Störung heute morgen hatte es eine längere Zeit gedauert, bis sein Nervenkostüm wieder halbwegs intakt war. Captain Dühnwald. 2. Kampfstaffel. Diesen Namen hatte er bereits irgendwo gehört, konnte ihn aber nicht mehr zuordnen. Wahrscheinlich hatte er den Namen auf einer seiner Aufträge durch die Galaxie irgendwo mal aufgeschnappt. Er stand vor einer Vitrine. Den Kopf leicht zur Seite gelegt. In diesem Glasschaukasten war seine Galauniform des Sonnenzorns fein säuberlich auf einem Rüstungsständer aufgehangen. Er betrachtete demütig das Wappen des Ordens. Er lies seine Gedanken schweifen. Eine weitere Tour, um Guardian-Materialien zu erbeuten, hatte der Kastellan angesetzt. Sein Genick knackte kurz, als er seinen Kopf wieder in eine aufrechte Position bewegte. Er nahm einen großzügigen Schluck Kaffee, und griff nach einer kleinen, silbernen Schatulle auf seinem Schreibtisch. Darauf zu sehen war der Erdentrabant. Um ihn herum stand eingestanzt: That’s one small step for man, one giant leap for mankind. Dieses olle Ding hatte er auf einem seiner Aufträge im Sol-System „gefunden“. Es war wohl das Zitat des ersten Mannes auf dem Mond. Selbst wenn es nur eine schlichte Aluminiumschatulle war, die Prägung rief in Jaroslaph immer wieder ein Gefühl der Ehrfurcht auf. Ohne diesen tapferen Mann, welcher vor über 2 Millennien seinen Mut zusammen nahm und den ersten Fuß auf einen lebensfeindlichen Planeten setzte, könnte es die moderne Raumfahrt heute nicht geben. Weiterhin in Gedanken, öffnete er das Behältnis und zog eine Zigarre hervor. Auf der Banderole stand groß „TERRA“. Es ging nichts über von der Erde importierte Zigarren. Er schnitt sie an und zündete sie sich an.* *Der charakteristische, würzige Geschmack des Erdentabaks entfaltete sich in seinem Mund und spielte mit seinem Gaumen. Er dachte noch weiter darüber nach, wann er wohl das nächste Mal die Heimat seiner Mutter besuchen würde. Mit der ‚Blessed Lady‘ wäre es nur ein Katzensprung. Bei dem Gedanken musste er kräftig schlucken, um seine Emotionen für sich zu behalten. Die ‚Blessed Lady‘ als subtile Widmung an seine ermordete Mutter. Er rieb sich die Augen, zog an der Zigarre und nahm einen weiteren, großen Schluck heißen, schwarzen Kaffee. Er war so tief in seinen Gedanken versunken, dass Jaroslaph das Signal seiner Quartiertüre erst gar nicht wahrnahm. *
„Herein!“ *rief Jaroslaph, welcher immer noch mit dem Rücken zur Tür stand. *
„Kommandant? Entschuldigt die Störung. Ich weiß, Ihr wolltet heute Eure Ruhe haben, aber ich hoffte, Ihr könntet mir etwas über Euch erzählen.“ *sprach eine ihm bekannte Stimme. Mit einem eleganten Schwung drehte er sich herum und legte den Kopf auf die Seite. Sein Erster Offizier stand in Grundstellung an der Türschwelle. *
„Fräulein Storm, bitte, bitte, nicht so förmlich, kommt herein. Meine bessere Hälfte und rechte Hand stört niemals. Setzt Euch. Sagt, möchtet Ihr etwas trinken? Whisky, Kaffee, Wasser?“ *Jaroslaph war erfreut über den Besuch seines EOs. Es war ihm eine äußerst willkommene Abwechslung.
Storm, welche augenscheinlich mehr als verwundert war, ihren Kommandanten bei so guter Laune anzutreffen, setzte sich an das Aussichtsfender*
„Kaffee bitte, Sir, wenn Ihr so freundlich wärt. Ich trinke keinen Alkohol“ *gestand Claudia ein.*
„Mhm, Euer Pech, krilladoranischer Whisky zählt zu den besten seiner Art.“ *merkte Jaroslaph an, während er seinem EO einen extra großen Kaffee laufen lies.
Er hatte seine Zigarre nach wie vor im Mund, zog immer mal wieder daran und trank seinen Kaffee. Er servierte Claudia ihren Kaffee und setzte sich ihr gegenüber.*
*Er stellte seinen eigenen Becher ab und nahm statt dessen das auf dem Tisch liegende Datenpad zur Hand.*
„Also“ *begann er* „wollen wir das Ganze auf diese versteifte, formelle Art angehen, oder möchten wir auf eine kollegiale Ebene aufsteigen? Mein Name ist Jaroslaph. Sie dürfen mich gerne duzen, Fräulein Storm.“
*Claudia Storm war eine junge, gutaussehende Frau. Sie trug lange dunkle Haare, welche ihre sonnengebräunte Haut und ihre haselnussbraunen Augen betonten. Die rechte Seite ihres Kopfes war kahlrasiert. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass dort verschiedenste Cerebral-Implantate zu sehen waren, welche einen Haarwuchs verhinderten. Diese Implantate dienten Claudia zur besseren Navigation im drei-dimensionalen leeren Raum des Nichts. Auch wenn diese Modifikationen klar erkennbar waren, taten sie ihrem Aussehen keinen Abbruch. Im Gegensatz. Sie vollendeten ihr Aussehen.
Allerdings war sie nun doch etwas überfordert damit, dass ihr Kommandant und Befehlshaber, ihr soeben das ‚du‘ angeboten hatte.
„Jawohl, duzen, Sir, ehh, Kommandant, ähm, Jaroslaph“ *stammelte sie, fast schon süß vor sich hin*
„Ich bin Claudia“ *ergänzte sie rasch*
„Ich weiß, Claudia. 21 Jahre jung, jüngste Absolventin der Akademie, und das mit Auszeichnung. Mit 20 Jahren für Brewer gearbeitet, und nun, mit dem Kauf des Flottenträgers in meine Befehlsgewalt übergegangen.“ *fasste Jaroslaph zusammen*
„Wenn du das so sagst, hört sich das fast an, als wäre ich dein Bediensteter, und woher hast du überhaupt diese Infos?“ *brachte Claudia ein*
„Naja, so ganz falsch ist das nicht, du bist mir immer noch unterstellt, nur bin ich der Meinung, es läuft alles viel entspannter ab, wenn man ein kollegiales oder freundschaftliches Verhältnis pflegt. Und zum Thema Informationen. Ich habe meine Quellen, Listen, Vögelchen.“ *sagte Jaroslaph.
Er legte das Datenpad beiseite und nahm einen Schluck Kaffee. Ebenso wie Claudia nun auch das erste Mal von ihrem Kaffee nippte. Jaroslaph neigte den Kopf auf die Seite und zog an seiner Zigarre. *
„Schmeckt er dir nicht?“ *fragte er Claudia ungläubig“
*er musste sie wohl etwas erschreckt haben, denn ehe er den Satz beendet hatte, hatte sich Claudia an dem bisschen Kaffee verschluckt. Jaroslaph musste sich zusammenreisen, nicht direkt zu lachen.*
„Alles in Ordnung? War der Kaffee zu heiß, Madam?“
*Sie schaute ihn erschrocken an. So als sähe sie dort, wo Jaroslaph saß, jemand anderen*
„Alles in Ordnung? Habe ich etwas falsches gesagt?“ *fragte Jaroslaph*
„Nein, nein, ganz und gar nicht…. Es ist nur, den Ausdruck Madam…“
„Wenn du das als herabwürdigend ansiehst, dann sag mir das, ich tue es nicht mehr“ *warf Jaroslaph rasch ein*
„Nein, absolut nicht. Ich muss ehrlicherweise gestehen, ich mag das sogar, aber mich hat schon lange niemand mehr so genannt. Zumindest nicht seit dem Tag…“ *Man sah Claudia an, dass sie etwas bedrückte und Jaroslaphs Sinn für so etwas war über die Jahre als Auftragsmörder geschult worden.*
„Möchtest du darüber reden?“ *bot er ihr an. Claudia blickte auf, sie schaute ihm direkt in die Augen, als wären sie schon seit Jahren miteinander vertraut. *
„Nicht heute“ *sagte sie*
*Jaroslaph fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht, als wolle er ein Anzeichen von Müdigkeit verdecken. Er stand auf, nahm den Kaffee in die eine Hand und die Zigarre in die andere. Er ging vom Aussichtsfenster hinüber zur Kaffeemaschine und zog sich nochmals einen extra großen und extra starken Kaffee. Er nahm einen kräftigen Schluck und stellte den Becher neben dem, in den Schreibtisch eingelassenen, Datenpad ab und fing an etwas in seinen Dateien zu suchen.*
„Weißt du, ich merke, wenn es jemandem nicht gut geht.“ *er zog an seiner Zigarre* „und wenn es mir als Kind nicht gut ging“ *erneut ein Zug, sein Quartier füllte sich mit dem wohlriechenden, würzigen Tabakrauch* „hat mir meine Mutter immer Musik vorgespielt. Das hat mir geholfen, meine Emotionen besser verarbeiten zu können.“ *er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarre, dann drückte er sie im Aschenbecher, welcher in der Mitte des Schreibtisches eingebettet war aus.*
„Ahja, das hört sich gut an“ *sagte er und tippte auf eine Audiodatei, welche umgehend von der Surroundsound-Anlage abgespielt wurde.*
„Kennst du dich mit den alten Künstlern aus?“ *fragte er*
„Nein, nicht wirklich. Was heißt alt?“ *erkundigte sie sich*
„Louis Armstrong, 1967“ *klärte er sie auf* „den hat meine Mutter mir immer vorgespielt.“
*Jaroslaph fing an mitzuwippen. Claudia war eher etwas enthaltsam und in sich gekehrt. Er ging zurück zum Fenster und stellte sich vor sie. Er streckte ihr seine Hand aus, was mit einem fragenden Blick ihrerseits beantwortet wurde*
„Sag nicht du hast niemals getanzt“ *Claudia schüttelte den Kopf* „na dann wird es aber höchste Zeit“ *Er nahm sie bei der Hand und fing an zu führen. Sachte legte er seine Hand auf ihre Hüfte. Jeder, der jetzt reinkommen würde, hätte jedes recht Jaroslaph zu melden. Denn auch er wusste, wie dies aussehen würde. Der Kommandant und sein EO… prinzipiell nicht verboten, aber höchst unprofessionell. Aber es zeigte seine Wirkung. Claudias Miene lockerte sich. Musik ist und bleibt wohl doch der Schlüssel zu Herz und Seele. Gerade als des Lied zu Ende war, konnte sie ihre angestauten Emotionen nicht mehr zurückhalten. Sie brach schluchzend und weinend zusammen. Jaroslaph fing sie auf und reichte ihr ein Taschentuch. Als sie einigermaßen zur Ruhe gekommen war setzte sie sich wieder auf die Couch beim Fenster und schaute Jaroslaph mit einem Blich an, den er nicht interpretieren konnte. Ein Blick aus Trauer und Freude. *
„Wow, Sir, wow…“ *ihr fehlten die Worte* „ich glaube das richtige Wort ist einfach nur: Danke. Ich hatte wohl sehr viele zurückgehaltene Emotionen in mir“ *sagte sie mit einem Lachen* „mir geht es definitiv besser.“
„Na das ist die Hauptsache. Komm, ich lass dir noch einen Kaffee laufen. Nach so einem Zusammenbruch braucht der Körper erst mal wieder Energie“ *mit diesen Worten ging Jaroslaph zur Kaffeemaschine und ließ eine weitere Ladung des Schwarzen Goldes in Claudias Becher laufen. Nachdem er ihr den Becher gegeben hatte, holte er erneut seine silberne Schatulle heraus und zündete sich eine weitere Zigarre an. Dann holte er seinen eigenen Kaffeebecher, welchen er vor dem Tanz auf seinem Schreibtisch abgestellt hatte. Er zog an seiner Zigarre und ließ heißen Kaffee auf den sich in seinem Mund befindenden würzigen Tabakqualm laufen. Einfach nur genial, die Mischung aus Tabakrauch und Kaffee. Er setzte sich diesmal jedoch neben Claudia auf die Couch. *
„Möchtest du darüber reden, was gerade passiert ist?“ *fragte Jaroslaph vorsichtig. Er wusste, dass er, wenn er Claudias Vertrauen gewinnen möchte, jetzt ganz vorsichtig vorgehen musste*
*Claudia fing an zu erzählen: Auch ihr Planet wurde nicht von den Thargoiden verschont. 3303 verlor sie im Alter von 16 Jahren ihren Bruder, welcher sie scherzhaft immer ‚Madam‘ genannt hatte, wenn sie frech oder überheblich wurde. Ihr Bruder bedeutete ihr alles. Vor allem, da sie wie Jaroslaph ohne Vater aufwuchs, da dieser für die Imperiale Navy in der ganzen Galaxie unterwegs war. Somit hatte ihr älterer Bruder auch eine Vaterrolle eingenommen. Sie sagte, es sei der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen. Und Jaroslaph konnte dem zustimmen. Denn auch er wusste, wie es ist jemanden zu verlieren, der einem die Welt bedeutete. Er erzählte ihr von den Ereignissen in jener Nacht, als der Plünderer in das Haus seiner Mutter und ihm eingedrungen war. Diese beiden Seelen, soweit sie auch auseinander waren, verband das selbe Schicksal. Vielleicht war es auch Schicksal, dass es genau Claudia war, welche sein Erster Offizier wurde.*
*Sie erzählte, dass sie auf die Akademie ging, mit dem Ziel ihren Vater zu finden und auf dem Weg jeden Thargoiden vom Himmel zu holen, der sich ihr in den weg stellen würde. Jaroslaph lauschte ihrer Erzählung aufmerksam. Denn ein guter Kommandant muss seine Crew kennen. Vor allem seinen Ersten Offizier. Das Band zwischen Kommandant und EO muss unzertrennbar sein, denn nur dann konnte ein Schiff sein volles Potential entfalten. Sie erzählte, dass sie auf der Akademie häufig gemobbt oder denunziert wurde, der die anderen Trainingsteilnehmer nicht glauben konnten, dass eine Frau als Erster Offizier eingesetzt werden würde. Jaroslaph versuchte die Situation so gut nachzuempfinden wie irgend möglich. Claudia berichtete, wie sie jeden Mann auf der Akademie um Meilen geschlagen hatte. Sie war die jüngste und beste Absolventin, welche die Akademie jemals hatte.*
*Nach der Akademie bewarb sie sich als Deckjunker bei Brewer-Corporation, mit der Hoffnung auf einem Träger eingesetzt zu werden. Dies wäre die beste Möglichkeit gewesen, sehr weite Strecken in kurzer Zeit zurückzulegen. Doch es sollte anders kommen. So ein Kommandant hatte sich einen Flottenträger bauen lassen und Brewer hatte Claudia als Ersten Offizier eingesetzt. Sie hatte eigentlich einen anderen Plan. Aber dieser kann warten. *
„Dann hast du ja echt Glück“ *brauste Jaroslaph, zum Schrecken von Claudia. *
„W-wa-warum das denn?“ *stammelte sie*
„Bruder Cycronos ist auf dem Weg nach Beagle Point und dieser Träger wird Teil einer logistischen Trägerbrücke sein. Heißt, du wirst sehr bald einmal quer durch die Galaxie reisen.“ *klärte Jaroslaph, Claudia auf. Claudia konnte es nicht glauben. Aber klar, es war doch alles auf den Datenpads, der NavDatenbank und so weiter gespeichert. Codename Snoopy, oder so ähnlich.
„Jaroslaph?“ *er schaute zu ihr rüber* „danke“ *sie nahm einen großen Schluck Kaffee und stand auf. Auf dem Weg Richtung Türe drehte sie sich nochmal um*
„So meinte ich das eigentlich nicht…. Ich wollte eigentlich deine Geschichten erfahren. Stattdessen hast du nun meine erfahren.“ *sie nahm nochmal einen Schluck Kaffee* „Aber trotzdem, Danke, es hat gut getan mit jemandem darüber zu reden.“
„Meine Türe wird dir immer offenstehen“ *merkte er an, ehe sie mit einem sanften „Gute Nacht, Jaroslaph“ aus der Türe verschwand.
*Jaroslaph wandte sich erneut seinem Datenpad zu, trank Kaffee und zog an seiner Zigarre. Er öffnete den Reiter ‚Audio‘ und dort die Rubrik ‚Old‘.
Interessant… es war wohl Schicksal das ihm nun ‚Bed of Roses‘ von einem Künstler namens Jovi, Bon Jovi vorgeschlagen wurde…*
©️Jarek Weiser